011 - Der grüne Brand
aber trotzdem schaden.«
»Da irren Sie sich«, antwortete Beale und stand auf. »Harding hat die Presse dermaßen bearbeitet, daß er mit einem glänzenden Ruf aus der Sache herauskommt. Wahrscheinlich werden in den Illustrierten auch noch Artikel von ihm erscheinen, in denen er gegen den unbefugten Verkauf von Giften zu Felde zieht. Sein Wartezimmer wird in der nächsten Zeit überfüllt sein.«
»Das ist eine verzwickte Angelegenheit«, meinte der Inspektor und erhob sich ebenfalls. »Und nehmen Sie es mir nicht übel, Mr. Beale, Sie sind einer der komischsten Leute, mit denen ich je zusammenkam. Ich werde nicht ganz klug aus Ihnen. Um was dreht sich dieses ganze Spiel eigentlich?«
»Es ist das größte Spiel der Welt«, sagte Beale schnell. »Wenn es gelingt, bringt es Elend und Leid über Tausende, wirft Riesenunternehmungen über den Haufen und stellt die Regierungen einiger Länder vor die Notwendigkeit, sich auf gewissen lebenswichtigen Gebieten gänzlich umzustellen.«
»Menschenskind«, rief der andere. »Ist das Ihr Ernst?«
Beale nickte.
»Ich war nie im Leben ernster«, sagte er. »Deshalb möchte ich auch nicht, daß sich die Polizei für diesen Mord an Jackson näher interessiert. Das eine kann ich Ihnen sagen, Inspektor, hinter unserem Rücken rollt die niederträchtigste Verschwörung ab, die je ein genialer Verbrecher ausgeheckt hat. Im Augenblick befindet sich der Erfinder dieses teuflischen Planes jedoch in Geldschwierigkeiten. Er hat die Absicht, sich neues Kapital zu verschaffen. Dazu gibt es verschiedene Wege. Mr. White von der Firma Punsonby hat er bereits um vierzigtausend Pfund erleichtert.«
Inspektor McNorton pfiff durch die Zähne.
»Es gibt auch noch andere Möglichkeiten«, fuhr Beale fort. »Und er wird sie alle ausprobieren. Wenn er jedoch ein bestimmtes Vermögen in die Hände bekommt, knalle ich ihn nieder.«
Es klopfte an der Tür, und McNorton wollte sich verabschieden.
»Bitte bleiben Sie«, sagte Beale, »ich möchte Sie diesem Herrn vorstellen.«
Er öffnete, und ein schlanker, grauhaariger Herr trat ein.
Beale schloß sorgfältig die Tür hinter ihm.
»Mr. Kitson, darf ich Ihnen Inspektor McNorton vorstellen?«
Die beiden schüttelten sich die Hände.
»Nun«, sagte Kitson, »unser Freund von der Medizin scheint es geschafft zu haben.« Er setzte sich und trommelte nervös mit den Fingern auf der Tischplatte. »Weiß der Herr Inspektor alles?«
»Fast alles«, antwortete Beale.
»Fast alles«, wiederholte der Inspektor lächelnd. »Sogar andeutungsweise die Sache mit dem grünen Brand. Da gebe ich allerdings zu, daß ich etwas verwirrt bin.«
»Darüber weiß ich selbst nichts«, sagte Kitson und sah Beale forschend an. »Es ist eine Entdeckung, die Mr. Beale zufällig machte, als er Miss Cresswell beobachtete.«
»Die Dame, die anwesend war, als Jackson ermordet wurde?« »Es wird das beste sein, wenn Sie darüber Bescheid wissen«, sagte Kitson. »Miss Margaret Cresswell ist die Nichte von John Millinborn. Ihre Mutter hat einen nichtsnutzigen Kerl geheiratet, der sich Cresswell nannte, in Wirklichkeit aber Predaux hieß. Erst brachte er ihr Vermögen durch, dann ließ er sie und ihr kleines Kind mittellos sitzen.«
»Und wo war Predaux alias Jackson die ganze Zeit?« unterbrach ihn der Kriminalbeamte.
»Man glaubte, er sei tot«, fuhr Kitson fort. »Nach John Millinborns Tod ließ ich jedoch Nachforschungen anstellen und bekam heraus, daß er auf Lebenszeit nach Cayenne verschickt worden war, anläßlich einer Amnestie aber wieder die Freiheit erhalten hatte. Er machte sich auf den Weg zu John Millinborn und traf ausgerechnet an dem Tag dort ein, als Millinborn ermordet wurde.«
»Und warum hat er seine Tochter sofort erkannt? Er hat sie doch nur als Kind gesehen.«
Kitson gab keine Antwort, sondern holte zwei Fotografien aus der Tasche. Die eine zeigte eine sehr schöne, altmodisch gekleidete Frau, die andere ein modern angezogenes junges Mädchen, in dem McNorton sofort Margaret Cresswell erkannte. Die Ähnlichkeit der beiden Frauen war ganz erstaunlich. »Wirklich, man könnte sie miteinander verwechseln!«
»Deshalb rief Jackson auch ›Mary‹ - so hieß seine Frau. Millinborn hat sein ganzes Vermögen Miss Cresswell hinterlassen, aber ich mußte ihm versprechen, daß ihr von dieser Erbschaft erst nach ihrer Verheiratung Mitteilung gemacht würde. Er hatte Angst, sie würde Heiratsschwindlern in die Hände fallen. Das war das Geheimnis, das
Weitere Kostenlose Bücher