011 - Der grüne Brand
wollte.«
»Sie haben sich eine Lizenz besorgt, um mich zu heiraten?« fragte sie atemlos.
Er nickte.
»Als ich Sie suchte, schleppte ich den Pfarrer ständig mit mir. Ich wußte, daß keine Zeit zu verlieren war und Harding vor die vollendete Tatsache gestellt werden mußte . . .«
Sie sprang lachend auf.
»Jetzt verstehe ich«, rief sie. »Das ist ja fabelhaft! Und Sie haben diese Scheinzeremonie wirklich mitgemacht? Wo war ich denn eigentlich?«
»Sie standen am Fenster«, erwiderte er gedrückt.
»Und Sie standen mit Ihrem falschen Pfarrer draußen - einfach köstlich! Also wurde ich gar nicht getraut, und das gehört Ihnen.« Sie wollte ihm den Ring geben, aber er schüttelte den Kopf.
»Sie sind doch getraut worden«, sagte er mit leiser Stimme.
»Das verstehe ich nicht.«
»Der Mann war ein wirklicher Pfarrer, und die Trauung ist legal.«
Sie sahen einander stumm an, bis Beale den Kopf senkte. Er wartete auf ihre nächsten Worte wie ein Verbrecher auf sein Urteil.
»Dann bin ich also wirklich verheiratet - und zwar mit Ihnen«, sagte sie schließlich verwundert.
Er sah nicht, daß sie ihn dabei ganz vergnügt anlächelte, sondern studierte immer noch verzweifelt seine Schuhspitzen.
»Mr. Kitson wird Ihnen sagen, was für Schritte Sie unternehmen müssen, um mich wieder loszuwerden«, murmelte er unglücklich. »Ich bin bereit, alles zu tun . . .«
Sie hatte den Ring hingelegt, nahm ihn jetzt aber wieder in die Hand und betrachtete ihn.
»Eigentlich ist er recht hübsch, nicht wahr?« fragte sie.
Er blickte auf, und als sie sein kummervolles Gesicht sah, lachte sie so fröhlich, daß er zum Schluß selbst mitlachen mußte.
»Die Sache hat unbedingt auch ihre komischen Seiten«, sagte sie und wischte sich die Augen. »Wie Sie sehen, habe ich meine erste Neigung, ohnmächtig zu werden, bereits überwunden - aber was sollen wir jetzt tun?«
»Lassen Sie es doch bitte vorerst ein paar Tage so, wie es ist«, bat er verlegen. »Bevor Harding nicht hinter Schloß und Riegel sitzt, kann ich kaum an etwas anderes denken - obwohl ich viel lieber an etwas anderes denken möchte . . .«, fügte er leise hinzu.
»Sie sollten sich nicht zu sehr in Gefahr begeben«, entgegnete sie. »Harding schreckt vor nichts zurück. Ist Milsom eigentlich noch bei ihm?«
»Milsom ist meiner Meinung nach die schwache Stelle in Hardings Plan«, sagte Beale. »Das wenige, was ich von ihm gesehen habe, bringt mich zu der Annahme, daß Milsom nicht der Mann ist, blindlings das zu tun, was der Doktor von ihm verlangt.«
»Ich wünsche Ihnen viel Glück«, entgegnete sie mit ein wenig zitternder Stimme.
Er schüttelte ihr schweigend die Hand.
»Einen Augenblick noch«, sagte er dann und zog ein dickes Buch aus der Tasche.
»Haben Sie mir etwas zum Lesen gekauft?« fragte sie verwundert.
Er nickte und hielt das Buch so, daß sie den Titel sehen konnte.
»›Ein Freund in der Not‹, von Stanford Beale«, las sie. »Ich wußte gar nicht, daß Sie Bücher schreiben!«
»Oh, Sie wissen noch vieles nicht«, entgegnete er leichthin. »Darf ich das Buch hier in das Bücherregal stellen?«
»Und darf ich es vorher nicht ansehen?«
Er schüttelte den Kopf.
»Ich will Ihnen nur das eine sagen: Harding ist wirklich sehr gefährlich - und vielleicht versucht er auch Ihnen noch einmal gefährlich zu werden. Bitte erinnern Sie sich dann an dieses Buch. Stecken Sie es dann zu sich oder behalten Sie es in Ihrer Nähe. Wollen Sie mir das versprechen?«
»Aber, Mr. Beale . . .?«
»Wollen Sie es mir versprechen?«
Sie nickte, und er ging ohne ein weiteres Wort hinaus.
McNorton kam sofort auf ihn zu.
»Scotland Yard hat gerade angerufen«, sagte er. »Man ist fest davon überzeugt, daß Harding London nicht verlassen hat.« »Hat das Mädchen gesprochen?«
»Hilde Gordon? Nein. Sie ist stumm wie ein Fisch, und es sieht ganz so aus, als wäre sie nicht mehr ganz richtig im Kopf. «
Es klopfte an der Tür, und Kitson ging hin und öffnete. Ein Kellner stand draußen.
»Jemand möchte zu Ihnen«, sagte er, aber bevor er weitersprechen konnte, wurde er beiseite geschoben. Ein müde aussehender Mann in einem schmutzigen Trenchcoat trat ins Zimmer.
»Mein Name ist Milsom«, sagte er. »Brauchen Sie einen Kronzeugen?«
29
Milsom wankte auf den Tisch zu und fiel in einen Sessel.
»Wo ist Harding?« fragte Beale. Aber Milsom zuckte nur die Schultern.
»Ich habe ihn vor zwei Stunden verlassen. Zu dieser Zeit war er unterwegs nach
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