0110 - Die Geistergrotte
sprichst also mit mir«, stellte Riglandel befriedigt fest. »Aber was sprichst du? Du bist nicht der, für den ich dich halte?«
»Ich bin nicht Zygor. Mein Name ist Zamorra, und ich bin ein Opfer des Magiers, der seinen Körper mit dem meinen über den Abgrund der Zeiten hinweg getauscht hat.«
»Was?« Der Mann in der roten Robe starrte ihn an, als habe er nicht recht gehört.
»Und das Mädchen, das du für deine Tochter hältst, ist nicht deine Tochter«, fuhr Zamorra unbeeindruckt fort.
»Sie heißt nicht Livana, sondern Nicole Duval.«
Der Professor blickte zu Nicole hinüber, die etwas abseits von den beiden kräftigen Frauen festgehalten wurde. Das Mädchen machte ein erstauntes Gesicht. Natürlich wunderte sie sich, daß er plötzlich die Sprache dieser Menschen sprach. Gerne hätte er ihr einiges erklärt. Aber dazu bekam er keine Gelegenheit.
Die ohnehin unfreundliche Miene des Fürsten verdüsterte sich noch mehr.
»Was redest du da für leere Worte?« grollte er. »Du willst nicht der sein, der du bist. Und Livana soll nicht meine geliebte Tochter sein?«
»Ja, so ist es. Die schwarze Magie des Teufels Zygor…«
»Du bist Zygor!« schrie Riglandel wütend. »Versuche nicht, durch doppelzüngiges Reden deine Haut zu retten. Es wird dir nicht helfen.«
»Ich spreche die Wahrheit, Fürst.«
»So beweise es«, sagte Riglandel grimmig. »Du hast meine Tochter verhext. Sie spricht mit fremder Zunge und scheint in wahnsinniger Liebe zu dir entbrannt. Nimm den Bann von ihr, und ich will Gnade vor Gerechtigkeit üben. Bleibst du jedoch verstockt und deinem bösen Tun verhaftet…«
»Ich bin nicht Zygor«, versicherte ihm der Professor abermals. »Und das Mädchen, das du für deine Tochter hältst…«
Der Fürst stampfte mit dem Fuß auf, und sein Gesicht entstellte sich vor Wut.
»Genug der Lügen«, brüllte er. »Wir werden sehen, ob das Schreien des Fleisches deinen arroganten Sinn zu ändern vermag.«
Riglandel wandte sich den Schergen zu, machte eine herrische Geste.
»Flechtet ihn auf das Rad des Feuers«, befahl er.
Die Männer mit den nackten, muskulösen Oberkörpern zögerten keine Sekunde. Ein Ausdruck von Genugtuung, ja, von Freude huschte über ihre rohen Gesichter. Sie waren Folterknechte, nicht weil sie darin einen Beruf, sondern eine Berufung sahen.
Sie banden Zamorra von dem Pfahl los. Der Professor wußte, daß es aussichtslos war, sich zu wehren. Und doch loderte jetzt ein Funke des Selbsterhaltungstriebs in ihm auf. Scheinbar ergeben ließ er zu, daß sie ihn packten und zu dem von Riglandel bezeichneten Folterinstrument hinüberschleppten. Auf halbem Weg jedoch mobilisierte er seine letzten Kraftreserven. Mit einem gewaltigen Ruck riß er sich los. Er winkelte die Arme an und stieß den beiden Männern, die ihn in ihre Mitte genommen hatten, die Ellenbogen vor die Brust.
Die Schergen, auf eine solche Attacke nicht vorbereitet, taumelten zurück. Bevor die anderen über ihm waren, hatte sich Zamorra umgedreht und stürmte auf den Fürsten zu. Wenn es ihm gelang, Riglandel in seine Gewalt zu bekommen, konnte er ihn als Geisel, als Schutzschild benutzen.
Sein Plan scheiterte jedoch. Der Mann in der roten Robe erwies sich als aus hartem Holz geschnitzt. Zamorra war noch eine Körperlänge von ihm entfernt, als Riglandel einen federnden Schritt nach vorne machte. Wie eine Lanze zuckte seine Faust heraus und traf den Professor in der Herzgrube. Der Schlag war so wuchtig, daß Zamorra augenblicklich die Luft weg blieb. Unter normalen Umständen hätte er die Schlagwirkung sofort abgeschüttelt. Sein geschwächter Körper jedoch war dazu nicht in der Lage. Wie gelähmt mußte er es hinnehmen, daß der Fürst zum zweiten Mal seine Faust sprechen ließ. Diesmal traf ihn der Schlag voll am Kinnwinkel und riß ihn von den Füßen.
Er kam nicht mehr hoch. Die Schergen warfen sich auf ihn, und ein Schlaggewitter brach über ihn herein, dem er nichts mehr entgegenzusetzen hatte. In Sekundenschnelle war er überwältigt.
»Ans Rad mit ihm!« hörte er Riglandels beinahe gleichmütige Stimme.
Während Nicoles ohnmächtiges Schluchzen an sein Ohr drang, rissen ihn die Männer im Lendenschurz wieder hoch.
Dann kam das Rad. Es war groß, hatte einen Durchmesser von fast drei Metern und eine Breite von vielleicht dreißig Zentimetern. Das Rad bestand aus Eisen und konnte durch eine Handkurbel in Drehbewegung versetzt werden. Unter dem Rad befand sich ein viereckiges Loch, das in den
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