0110 - Die Geistergrotte
die kaum mehr als einen einfachen Lendenschurz trugen, unterhielten sich miteinander, so leise, daß Zamorra nichts von ihren Gesprächen mitbekam. Es war aber offensichtlich, daß sie auf irgend etwas warteten. Oder auf irgend jemanden.
Und dann kam jemand. Es war der Mann im weißen Gewand, den Zamorra aus der Felsenhöhle kannte. Er kam nicht allein. In seiner Begleitung befand sich ein zweiter Mann, gekleidet in einer reich verzierten Robe in leuchtendem Rot. Es hätte gar nicht der servilen Untertänigkeit der Wächter bedurft, um Zamorra vor Augen zu führen, daß er hier einen Mann von Rang und Würden vor sich hatte. Die hochgewachsene Gestalt, der befehlsgewohnte Ausdruck im energischen Gesicht, die gesamte Erscheinung - all dies versprühte Autorität. Der Professor fragte sich gleich, ob dieser Mann der Fürst Riglandel war, von dem der Dämon gesprochen hatte.
Seine Überlegungen in dieser Richtung wurden schnell zweitrangig. Noch jemand betrat in diesem Augenblick die Folterkammer: Nicole. Sie befand sich in Begleitung von zwei Frauen.
Auch sie sah ihn sofort.
»Chef!«
»Nicole…«
Zamorra wollte noch etwas mehr sagen, kam aber nicht dazu. Einer der Kerle im Lendenschurz hieb wuchtig zu.
Nicole stieß einen Wutschrei aus, wollte auf den Professor zueilen. Es gelang ihr nicht. Die beiden Frauen an ihrer Seite, kräftig wie Dragoner, hielten sie fest. Nicole schrie und tobte, konnte sich aber nicht befreien.
Der hochgewachsene Mann in der roten Robe ging zu ihr.
»Livana, mein Kind«, sagte er begütigend, »es ist ja alles gut. Der böse Mann wird dir kein Leid mehr antun.«
Nicoles Antwort, die natürlich den Sinn seiner Worte nicht erfassen konnte, bestand in neuen Wutschreien. Ihre blauen Augen schossen Pfeile des Zorns ab. Der Mann in der Robe zuckte die Achseln, wandte sich ab. Zamorra erkannte, wie sich scharfe Gramfalten um seinen Mund einkerbten.
Ja, er hatte anscheinend richtig vermutet. Dieser Mann mußte Riglandel sein, der Vater des Mädchens Livana, in dessen Körper Nicole steckte. Die Tragik der Situation wurde dem Professor in diesem Augenblick richtig bewußt. Riglandel machte sich große Sorgen um seine Tochter, deren Verhalten ihm völlig rätselhaft sein mußte. Und selbstverständlich trug in seinen Augen der »böse Mann« Zygor daran die Schuld.
Nur daß Zygor nicht im Land Myragon weilte, sondern weit, weit entfernt war…
Riglandel und der Mann im weißen Gewand schritten jetzt zu dem Pfahl hinüber, an dem Zamorra hing.
»Ist er nicht noch gefährlich?« fragte Riglandel den anderen leise. »Ein Hexer wie er…«
»Keine Sorge, Fürst. Zygor ist ohne Hilfsmittel nicht in der Lage, schwarze Magie zu praktizieren. Ich spreche aus Erfahrung, denn auch ich kann nicht allein mit meinen Händen übernatürliche Kräfte nutzbar machen.«
Noch ein Magier also, dachte Zamorra. Ein »Kollege« des Mannes, den er verkörperte. So etwas hatte er sich bereits gedacht, als seine Kampfeswunden auf so wundersame Art und Weise geheilt worden waren.
Der Fürst schien nicht überzeugt.
»Dieses Ding da«, sagte er und zeigte auf das Amulett, das auf Zamorras Brust pendelte, »stößt mich ab. Es strahlt etwas… Böses aus. Ist es…«
»Ja«, nickte der Weißgewandete, »es ist ein Fetisch, von einem Dämonen geweiht. Aber glaube mir, Fürst, Zygor kann keinen Schaden damit anrichten.«
»Nimm es ihm ab, Thalad«, verlangte Ringlandel. »Ich möchte kein Risiko eingehen.«
Der Magier zögerte.
»Mach schon!« sagte der Fürst barsch. »Ich habe deine Dienste teuer bezahlt, vergiß das nicht.«
Zamorra merkte Thalad deutlich an, wie sehr es ihm widerstrebte, der Weisung nachzukommen. Er schien eine unterschwellige Furcht davor zu haben. Und das war wohl auch der Grund, warum es sich noch in seinem Besitz befand. Und wenn der Professor an das Erscheinen Hamaroths in seiner Zelle dachte, war diese Furcht nicht ganz unberechtigt.
So als würde er einer giftigen Schlange in den Rachen greifen, riß jetzt Zamorra den Talisman vom Hals und hielt ihn dann Riglandel hin.
»Möchtest du ein Gefolgsmann Hamaroths werden, Fürst?« fragte er süffisant.
Alarmiert wich der Mann in der roten Robe einen schnellen Schritt zurück.
»Hüte dich, Thalad!« fauchte er den Magier an. »Auch du bist nicht allmächtig!«
»Nein, das bin ich nicht«, erwiderte Thalad. Er sagte es so, daß er Zamorra - widersinnig wie es auch war - beinahe sympathisch erschien.
Diese Sympathie verschwand
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