0111 - Geschäfte mit Menschen
vorgenommen haben, Jerry. Sein Gesicht kannst du so nicht sehen. Ich will seine Lage nicht verändern.«
»Er muss doch Kleider abgelegt haben, Phil?«
»Oh, natürlich. Aber sieh dir das Schlafzimmer an. Als sei ein Tornado durchs Fenster gefahren.«
Auf dem Gang klangen hastige Tritte auf. Ich wirbelte herum und hob meine Waffe. Aber es waren nur zwei G-men unseres Kommandos. Delmonte schob sich den Hut ins Genick.
»Milton schickt sofort einen Wagen.« Er schaute umher. »Heiland, das ist aber eine Höhle. Stinkt ja wie in einer Hafenkneipe. Wo liegt der Tote?«
Phil deutete auf die Tür zum Bad. Delmonte zog ab. Sein Kollege warf sich in einen der herumstehenden Sessel und streckte die Beine von sich.
Langsam entfaltete ich die Briefe. Sie waren in schwülstigem Stil gehalten, sentimental und irgendwie lächerlich. Fremder Leute Liebesbriefe sind immer lächerlich. Sie begannen alle mit der gleichen Anrede: »Dear Chet, my love…!«
»Chet Mason«, pfiff ich überrascht. »Na bitte, da haben wir schon den Beweis, Phil. Wir müssen dem Hausverwalter ein Foto von Mason vorlegen. Ich wette, auch Mason hat hier Quartier gefunden. Joan Delague… Seine Freundin also. Sämtlich Briefe ›postlagernd‹. Aber sie hat ihre Anschrift angegeben, Potomac Avenue 117. Einen winzigen Schritt wären wir demnach weitergekommen.«
Delmonte kam aus dem Bad zurück. Er kratzte sich nachdenklich am Kinn.
»Unter dem Handtuch liegt ein geladener Colt. Zweizollauf… Haben Sie ihn gesehen, Mister Cotton?«
Wir hatten ja nichts weiter angefasst. Ich wollte Delmonte antworten, aber da kam Fleisher keuchend und mit verkniffenem Gesicht durch die Wohnungstür herein.
»Fort…« fluchte er. »Durch den Keller entkommen. Es gibt eine Verbindung zwischen diesem Gebäude und dem Nachbarhaus. Und sie ist nicht auf unserem Plan eingezeichnet. Ich habe ihr Signalement durchgegeben. Auch an die Stadtpolizei. Alle verfügbaren Streifenwagen riegeln das ganze Viertel ab. Viel Wert wird es nicht haben, fürchte ich.«
»Wenigstens haben wir eine genaue Beschreibung der beiden Männer. Platz, da kommen die Spezialisten.«
Ryan Milton war der Erste, der vom Gang her auftauchte. Hinter ihm quollen weitere sieben Beamte ins Apartment. Sie verbreiteten eine nüchterne Geschäftigkeit, schoben uns rücksichtslos gegen die Wände und hantierten mit Messleinen und Fotoapparaten, mit Pinseln und Silbernitratpulver. Augenblicklich waren wir völlig überflüssig.
Zwei ganze Minuten benötigte der Polizeiarzt für seine Feststellungen. »Rechte Herzkammer, Mister Milton. Tod trat augenblicklich ein. Sie können ihn haben.«
»Sind Sie fertig, Harthom?«
»Ja, Der Rest ist für sie, Chef.« Der Spurensicherungsfachmann rief seine Leute zusammen. Fleisher und Delmonte übernahmen das Wohnzimmer, Phil und ich das Bad. Die übrigen verteilten sich auf Küche und den dritten Raum, der mit einer Schlafcouch und alten Möbeln vollgestellt war. Das eigentliche Schlafzimmer nahm Ryan Milton sich vor.
Der Tote lag nun ausgestreckt auf der Badematte. Jemand hatte ihm das dunkelrote Handtuch über den Leib gedeckt. Ich betrachtete sein Gesicht. Es war eingefallen und fleckig. Das Gesicht einer Spitzmaus mit kurzer, abgebogener Nase, strichdünnen Brauen und verkniffenen Lippen.
»Eddy Hovell«, rief Phil betroffen. »Zum Teufel, er muss es sein, Jerry. Die Beschreibung passt haarscharf auf ihn. Da ist die Narbe an der linken Schläfe.«
»Wenn wir seine Prints mit den Abdrücken aus New York verglichen haben, werden wir es genau wissen. Und der Colt hier…« Ich nahm ihn mit einem Taschentuch auf und roch an der Mündung, nur Öl konnte ich feststellen. »Das gleiche Kaliber wie das, mit dem Brand erledigt wurde.«
Zwei Stunden brachten wir damit zu, die ganze Wohnung auf den Kopf zu stellen. Nicht die winzigste Ecke wurde ausgelassen. Und dann wussten wir einwandfrei, dass Mason und Allan Brand zusammen das Apartment bewohnt hatten. Der dicke Hausverwalter erkannte Chet Mason auf dem Foto, das Ryan Milton ihm vorlegte. Nur den Toten hatte er angeblich nie gesehen.
»Hovell kann die Schlüssel von Mason erhalten haben. Oder er nahm sie Allan Brand in New York aus der Tasche. Das ist unwesentlich«, meinte ich zu Milton. »Wichtiger erscheint mir die Frage, ob Eddy Hovell umgelegt wurde, weil unsere Gegner wissen, dass wir hinter ihnen her sind, oder ob sein Tod ohnedies beschlossene Sache war. Nehmen wir einmal an, Hovell gehöre zu der Gang, die
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