0112 - Die Drachensaat
als der Drache über den Burghof segelte und ein schauriges Fauchen ausstieß. Dann war Barrabas vorbei. Ich erhob mich halb und kniete nieder.
Myxin stand ebenfalls auf und suchte sich eine bessere Deckung, denn Barrabas flog bereits einen zweiten Angriff. Er rauschte heran, kam aus der Dämmerung, ein mörderischer, urwelthafter Schatten.
Mir rieselte die Gänsehaut über den Rücken, als ich ihn so sah, trotzdem zog ich meine Waffe. Mit der Beretta kam ich mir eigentlich lächerlich vor, die Kugeln würden an seinem Panzer abprallen. Ich kam gar nicht erst zum Schuß. Plötzlich öffnete der Drache sein gewaltiges Maul und schleuderte eine Feuerlohe hervor. Eine glühende, gewaltige Wand raste auf mich zu. Ich flog hinter meine Mauer, und doch spürte ich diesen Odem der Hölle, als die Flammenwand an mir und der Mauer entlangstrich.
Oh, das war knapp gewesen. Der Drache drehte ab.
Zurück ließ er verbrannte Erde. Wo die Feuerlohe den Burghof getroffen hatte, stand kein Grashalm mehr. Nur allmählich ebbte die Hitze ab. Zum Glück war das Mauerstück breit genug, so dass mir nichts passiert war.
Aber lange würde ich den Angriffen wohl nicht standhalten können, irgendwann hatte der Drache herausgefunden, wie er mich packen konnte. Ich lugte um die Steine herum.
Barrabas befand sich hoch über uns. Er drehte einen Kreis und fiel wie ein Stein der Erde entgegen. Beinahe senkrecht raste er dem Burghof entgegen. Ich riss den Kopf in den Nacken.
Barrabas bot schon einen schaurigen Anblick. Er hatte das Maul weit geöffnet. Ich konnte hineinschauen in einen gierigen Schlund mit mörderischen Zähnen und einer gespaltenen Zunge. Da feuerte ich.
Ich jagte zwei Kugeln aus meiner Beretta, doch Barrabas schien geahnt zu haben, dass die Geschosse sein Maul treffen sollten, denn er klappte die Kiefer zusammen. Die Kugeln schrammten nur über seine dicke gepanzerte Haut, sonst taten sie ihm nichts.
Der Drache drehte ab. Er schleuderte auch keine Feuerlohe mehr auf mich. Bevor er den Burghof erreichte, drehte er in einer eleganten Kurve ab und schoss wieder in die Höhe. Dabei hatte er seine riesigen Schwingen ausgebreitet und ließ sich von den Aufwinden tragen. Ich erhob mich und füllte das Magazin mit Ersatzkugeln auf. Ich hatte zuerst an den Bumerang gedacht, vielleicht hätte ich ihn schleudern sollen, doch dann war mir diese Waffe zu wertvoll gewesen. Ich kannte sie noch nicht gut genug, wusste nicht hundertprozentig über die Kräfte Bescheid.
Aber irgendwann würde ich das Rätsel auch noch lösen, dessen war ich mir sicher.
Der Drache kehrte nicht mehr zurück. Er flog am grauen Himmel eine Acht, ging dann tiefer und segelte davon. Ich merkte mir die Richtung. Er streifte über die Bergkuppe, wo Rocco sein Leben verloren hatte, und mir war klar, welches Ziel der gefährliche Drache nun anflog. Gulbine!
Wir standen hier auf dem Burghof, während sich unten im Dorf sicherlich die Hölle abspielte. Das wusste auch Myxin. »Was sollen wir tun?« fragte er und trat auf mich zu.
»Keine Ahnung«, erwiderte ich. »Wir können nicht verhindern, dass der Drache in Gulbine einfällt.«
»Dann nichts wie hin!«
Ich nickte. »Richtig, das ist die einzige Alternative. Fragt sich nur, ob wir es noch schaffen. Ich bin den verdammten Weg einmal gegangen und weiß, wie anstrengend das ist.«
»Seit wann bist du so deprimiert, John Sinclair?« fragte mich der kleine Magier.
»Seit ich gesehen habe, wie - na ja, lassen wir das.«
»Sprich dich aus!« forderte Myxin. »Es ist wie ein Kampf mit der Hydra. Da schlägst du irgendwo einen Kopf ab, und sofort wachsen zwei neue nach. Die Ritter haben wir besiegt, aber der Drache verhöhnt uns, weil wir so wehrlos sind.«
Wir waren während des Gesprächs nicht auf dem Burghof stehengeblieben, sondern weitergegangen, bis zu jener Mauer, auf deren Krone ich gekämpft hatte. Ich schaute ins Tal.
Alles grau in grau. Nicht mehr lange, dann würde es anfangen zu regnen. Kein schönes Maiwetter hier oben in Schottland. Aber die Natur passte sich meiner Stimmung an. Vielleicht war es auch umgekehrt. Ich wusste es nicht und hatte auch keine Lust, darüber nachzudenken. Dafür machte ich mich an den Abstieg. Vielleicht wurde mein seelischer Akku unterwegs wieder aufgeladen. Zumindest bestand die Hoffnung.
***
Suko fühlte sich, als würde er auf einem Grill liegen. Die Bohlen drückten hart in sein Kreuz, und durch die festgezurrten Stricke wurde er hart gegen das Holz gepresst.
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