0112 - Die Drachensaat
Die anderen Männer aus dem Dorf gönnten ihm kaum einen Blick. Sie waren mit der Vorbereitung für die Vampirtaufe beschäftigt.
Es war sowieso nur noch die Hälfte Übriggeblieben, die anderen hatten sich aufgemacht, um die Kinder zu holen.
Davor hatte der Chinese am meisten Angst. Nicht so sehr um sein eigenes Leben, er wusste, dass er mit dem Tod immer auf vertrautem Fuß stand und eines Tages etwas schiefgehen konnte, aber die Kinder mussten gerettet werden. Suko dachte auch an Shao und an Diana Redford, die sich so selbstlos geopfert hatte, um anderen zu helfen. Wie mochte es den Mädchen ergehen? Hatten Sie es geschafft? Waren sie dem Mob aus dem Dorf entkommen?
Wahrscheinlich, denn sonst hätte man die beiden Frauen sicherlich im Triumphzug zu diesem Platz geführt, um sie als Beute zu präsentieren.
Unter der Plattform vernahm Suko das geschäftige Hin- und Herlaufen der Drachendiener. King Cutler war nicht dabei, er führte die Gruppe an, die die Kinder holte. Suko holte tief Luft, soweit das die Stricke zuließen, und spannte anschließend die Muskeln. Durch diesen Druck wollte er versuchen, die Fesseln zu lockern. Ohne Erfolg.
Die Knoten waren so raffiniert geknüpft, dass sie nicht um einen Zoll nachgaben, geschweige denn aufplatzten. Weit über ihm lag noch immer ein düsterer grauer Himmel. Der Wind spielte mit den Wolken und brachte ihnen immer neue Tänze bei.
Der Chinese dachte auch an Asmodina, die Teufelstochter. Sie war verschwunden, hatte sich zurückgezogen, und Suko fragte sich, wo sie wohl stecken mochte. In ihrem Reich? War sie wieder in die Dimensionen des Schreckens zurückgekehrt, und würde sie erst zurückkommen, wenn die Drachentaufe begann? Suko konnte sich gut vorstellen, dass sich Asmodina solch ein Ereignis nicht entgehenlassen würde.
Wenn Suko die Augen verdrehte, schaute er hoch zu dem Bergrücken, wo sein Freund John Sinclair hingegangen war. Sogar die Schäferhütte am Hang sah er, wenn er seine Augen anstrengte. Wie mochte es John gehen?
Suko selbst hatte es erlebt, wie gefährlich die grausamen Ritter waren.
Für einen einzelnen bestand kaum die Chance, sie zu besiegen, auch nicht, wenn der Mann John Sinclair hieß.
Dann wurde Sukos Blick abgelenkt. Zwischen den Wolken sah er einen dunkleren Punkt, der rasch größer wurde und sich sehr schnell als ein gewaltiges Tier herauskristallisierte.
Barrabas kehrte zurück!
Schon bald hörte Suko das Rauschen der riesigen schwarzen Flügel, so nahe war der Drache schon. Die Männer hatten ihre Arbeit im Stich gelassen. Sie schauten hoch und erwarteten die Ankunft ihres Götzen.
Barrabas kam.
Er rauschte in das Tal, eine immense Erscheinung, groß wie ein Flugzeug.
Seine Flügel klappten zusammen, er landete. Vor der Holzplattform blieb er hoch aufgerichtet stehen. Suko konnte ihn genau beobachten, und er fühlte sich nicht gerade wohl in seiner Haut.
Barrabas sah ungeheuer gefährlich aus. Er kam Suko hoch wie ein Haus vor, und der Chinese hoffte, dass er sein Maul nicht aufreißen würde, um Feuer zu speien. Ehrfurchtsvoll blieben seine Diener vor ihm stehen.
Niemand sprach, alle starrten diese Riesenechse an. Die Augen des Drachen funkelten gelb, seine mächtigen Kiefer waren zusammengeklappt, die dicke, schuppige Haut schimmerte grün. Wie konnte man solch ein Untier besiegen?
Das fragte sich Suko nicht zum ersten Mal. Eine Antwort hatte er bisher nicht gefunden. Der Drache öffnete sein Maul.
Suko rechnete damit, in einer Feuerwolke zu verbrennen, doch nur heißer Atem strich über ihn hinweg. Es war ein Gruß aus der Hölle, er stank nach Schwefel und Pestilenz. Der Chinese hielt die Luft an. Noch hatte er eine Galgenfrist, denn die Drachentaufe würde nicht vor Mitternacht über die Bühne gehen. Wie viele Stunden das noch waren, wusste der Chinese nicht zu sagen, er konnte nicht auf seine Uhr schauen, das ließen die straffen Fesseln nicht zu…
***
Noch waren die Männer so weit entfernt, dass vielleicht eine Fluchtchance bestand. Sie hatten es auch nicht eilig, denn wie Shao sah, liefen sie nicht einmal schnell. Aber die Kinder mussten weg. Die Chinesin schaute noch einmal hin und entdeckte an der Spitze der Gruppe ein Ungeheuer. Ein Mensch mit einem Drachenschädel. Shao schluckte hart.
Auch Diana hatte etwas bemerkt. Ihr war Shaos Veränderung nicht entgangen. »Was ist?« fragte sie.
»Sie kommen!« erklärte Shao.
»Nein!«
Diana presste die Hand vor den Mund. Shao beeilte sich jetzt, aus dem
Weitere Kostenlose Bücher