0112 - Die Drachensaat
Diana von seiner Schulter rutschen konnte.
Zitternd blieb sie stehen.
»Kannst du noch?« fragte Suko.
Sie nickte.
»Wohin jetzt?«
»Zu mir nach Hause. Dort ist deine Freundin Shao, hoffe ich wenigstens.« Sie hustete schwer.
»Ist das noch weit?«
»Nein, nein.« Diana strich ihre angesengten Haare zurück. »Nur noch ein paar Yards.«
Der Drache war nicht weitergerannt, sondern auf dem großen Platz vor der Scheune Stehengeblieben. Wild warf er seinen mächtigen Schädel herum, röhrte sein schauriges Lied gegen den Himmel und breitete seine Flügel aus. Ein fliegender Drache.
Damit war ein Schauermärchen zur grausamen Wahrheit geworden.
Barrabas hob vom Boden ab. Die Flügel, sie sahen aus wie schwarze Lederhäute, trugen das urwelthafte Ungeheuer in die Höhe. Es war ein unglaubliches Schauspiel. Diana Redford und Suko staunten mit offenem Mund.
Im nächsten Augenblick hatte der Drache die in diesem Moment endgültig zusammenkrachende Scheune erreicht und stieg weiter in den grauen Himmel.
Er wurde kleiner und kleiner, war bald nur noch ein Punkt und dann nicht mehr zu sehen.
Aber er würde zurückkehren.
Dessen waren sich alle sicher.
Suko erfasste sofort die Situation. Noch standen die Menschen unter dem Bann des Drachenfluges, und die Zeit mussten die beiden Flüchtlinge nutzen.
»Wo ist dein Haus?« fragte der Chinese.
Diana Redford hatte sich wieder gefangen. Wortlos zog sie Suko weiter. Jetzt hatte sie es eilig, denn auch sie wusste, dass die Fluchtchance nicht mehr lange bestand. Wenn sich der Rauch erst einmal verzogen hatte und die Sicht frei war, würden die Einwohner nach ihnen suchen. Wahrscheinlich zuerst in der abgebrannten Scheune, um die Leichen zu finden.
Wenn sie Diana und Suko dort nicht fanden, dann ging die Sucherei weiter.
Als ihnen eine Gruppe Menschen entgegenkam, versteckten sie sich blitzschnell in einem Hauseingang. Die Männer sahen inmitten der Rauchschwaden aus wie Gestalten von einem anderen Stern. Sie trugen schwere, mit Wasser gefüllte Gefäße, um die restlichen Flammen zu löschen, damit sie nicht auf die Nachbargebäude übergriffen. Die Männer rannten vorbei.
Sofort verließen Diana und Suko ihre Deckung. Von diesem Platz aus waren es nur noch wenige Yards bis zum Redfordschen Haus.
Shao lief ihnen entgegen. Sie hatte es nicht mehr in dem kleinen Gebäude ausgehalten. »Suko!« gellte ihr Schrei.
Die Augen des Chinesen glänzten. Er lief noch schneller, und dann lagen sich beide in den Armen. Doch nur für wenige Augenblicke. Sie mussten weg, sie konnten hier auf der Straße nicht stehenbleiben, zu groß war die Gefahr. »Schnell, schnell!« drängte Diana. Sie lief bereits vor, und Suko sowie Shao folgten.
Die Haustür hatte Shao offen gelassen. Dicht dahinter stand Mrs. Redford.
Als sie ihre Tochter sah, fiel sie ihr weinend in die Arme. Diana drückte ihre Mutter sofort weg, um Platz für die anderen zu schaffen.
Suko und seine Freundin warfen sich förmlich in das schützende Haus.
Diana schlug die Tür zu.
»Gerettet!« keuchte das rothaarige Girl.
Suko schüttelte den Kopf. »Ich glaube nicht. Der Kampf fängt jetzt erst an…«
***
Auch für mich begann der mörderische Kampf ums Überleben. Fünf Ritter hatten mich eingekreist. Unter ihnen Rufus, ihr Anführer. Der Ritter in der schwarzen Rüstung. Ich war in ihre Falle gelaufen. Bewusst!
Denn mir war klar, dass ich sie stellen musste, bevor sie weiteres Unheil anrichteten.
Die fünf Ritter hatten ihre Visiere hochgeklappt, und ich sah die gelblichbleichen Totenschädel unter den Helmen. Sie bewegten sich, wenn die Ritter sprachen, so dass es manchmal schien, als wären sie aus Gummi. Doch das war nicht der Fall. Diese Schädel bestanden aus Knochen, die längst hätten zu Staub werden müssen in all den Jahrhunderten, wenn nicht Asmodina mit ihrem Fluch dafür gesorgt hätte, dass die grausamen Ritter wieder zu einem untoten Leben erwachten. Und sie hatte auch Myxin aus der ihrigen Welt entführt und in diese Burg oben auf den Berg geschafft. Trotzdem hatte es Myxin geschafft, mir das Leben zu retten. Wäre er nicht gewesen, dann hätte mich der Ritter getötet.
Ich hielt die Beretta in der rechten Hand. Fünf Silberkugeln steckten im Magazin.
Aber auch meine Gegner waren bewaffnet.
Sie trugen Lanzen, Schwerter, Pfeile und Bogen in ihren eisernen Fäusten, die sie über die knöchernen Totenhände gestreift hatten.
Ich zählte.
Wie viele Gegner konnte ich mitnehmen? Wenn ich
Weitere Kostenlose Bücher