0112 - Die Drachensaat
Warnschrei erstickte schon im Ansatz. Suko riss den Mann herum.
Ein gemeiner Tritt verfehlte ihn, dafür legte der Chinese seinen Gegner mit einem Judogriff flach.
Dann folgte der zweite Schlag.
Suko hatte die Handkante leicht gekrümmt. Er wusste genau, wo er hinzuschlagen hatte, um den Mann nur außer Gefecht zu setzen und nicht zu töten.
Sein Gegner erschlaffte und blieb bewusstlos liegen.
Suko atmete auf.
Rasch schaute er sich um.
Niemand hatte etwas bemerkt. Suko war zufrieden, nahm das Gewehr auf und hämmerte es mit einem wuchtigen Stoß in den Boden. Jetzt war der Lauf verstopft. Dann nahm Suko die Kugeln heraus und warf sie weit fort. Er lief ein paar Schritte zur Seite, warf einen Blick nach oben, sah die Dachrinne, umklammerte sie zog sich hoch.
Die Rinne bog sich durch. Sie bestand aus Holz und war nur durch Metallringe verstärkt worden. Zum Glück verkraftete sie das Gewicht des Chinesen. Suko kletterte aufs Dach und legte sich flach hin. Nachdem er sein Gewicht gut verteilt hatte, wartete er erst einmal ab. Er lauschte, doch niemand hatte ihn bemerkt. Vorsichtig robbte der Chinese vor. Die Schindeln waren nicht sehr fest. Lockere ertastete Suko mit den Händen und schob sich daran vorbei.
Immer näher kam er dem schrägen Fenster und hatte es wenige Minuten später erreicht.
Suko versuchte hindurchzuschauen, doch jahre alter Dreck hatte die Scheiben verklebt. Mein Freund schätzte die Maße ab und wiegte zweifelnd den Kopf. Es würde schwer sein, sich durch die Luke zu stemmen, aber es gab keine andere Möglichkeit.
Suko hob den Arm, winkelte ihn an, nahm noch einmal Maß und hämmerte den rechten Ellbogen nach unten. Das Glas zerplatzte mit einem satten Laut. Es gab kein großes Splittern, die Scheibe brach so aus dem Rahmen. Irgendetwas dämpfte den Aufprall der Scherben.
Suko steckte seinen Kopf durch die Öffnung. Unter ihm war es dunkel.
Muffige Luft drang in seine Nase. Staub reizte zum Niesen.
Der typische Geruch eines Speichers, dachte Suko. Er riskierte es.
Nachdem er schon den Kopf durch das Fenster gestreckt hatte, drehte er sich so, dass die rechte Schulter folgen konnte.
Dann hangelte Suko sich weiter. Die linke Schulter bekam er nicht ohne Schwierigkeiten durch die Öffnung, er musste sich strecken und dehnen, und als er es schließlich geschafft hatte, war er in Schweiß gebadet. Zur Hälfte hing Suko auf dem Speicher, zur anderen Hälfte befand er sich noch draußen.
Suko versuchte, sich noch einmal zu drehen, ruckte hin und her und strampelte mit den Beinen. Er schaffte es.
Plötzlich fiel er nach vorn. Da er seine Arme ausgestreckt hatte, gelang es leicht, sich abzustützen. Er verwandelte die Landung in eine Rolle vorwärts und stand auf den Füßen. Zum Glück hatte er nicht in die Scherben des zerstörten Fensters gefasst. Das zersplitterte Zeug lag auf einem alten Teppich.
Auch der Chinese trug stets eine Bleistiftlampe bei sich. Die holte er hervor und schaltete sie ein. In dem dünnen, hellen Finger tanzten unzählige Staubpartikel. Sie flirrten und flimmerten, lagen auf den alten, zerbrochenen Möbelstücken, bildeten ihre Schicht auf verrosteten Eimern und Gefäßen. Suko leuchtete zu Boden. Keine Spuren.
Demnach war lange keiner auf dem Speicher gewesen. Der Chinese erlaubte sich ein leichtes Lächeln. Bisher hatte alles gut geklappt, von dem kleinen Zwischenfall draußen einmal abgesehen.
Als er auf die Tür zuschritt, hinterließen seine Schuhe Abdrücke im Staub.
Vor der Tür blieb er stehen, legte seine Hand auf die Klinke und drückte sie nach unten.
Langsam zog er die nicht verschlossene Tür auf. Sie quietschte erbärmlich in den Angeln, und Suko verzog das Gesicht. Dann riss er mit einem Ruck die Tür auf.
Durch diesen Trick überwand er das Quietschen.
Suko schlich vor.
Der erste Schritt brachte ihn auf ein kleines Podest, an das sich die Treppe nach unten anschloss. Suko hatte erwartet, Holzstufen vorzufinden, und er wurde nicht enttäuscht.
Im Treppenhaus roch es nach frischer Farbe. Cutler musste sie erst vor kurzem angestrichen haben. Als Suko das Geländer umspannte, war der Handlauf noch leicht klebrig. Er betrat die oberste Stufe, wobei er sein Gewicht balancierte. Dabei bewegte er sich auf die Wand zu. Zu seinem Erstaunen knarrten die Stufen nicht, als er die Treppe hinunterging. Sie bogen sich zwar unter seinem Gewicht durch, verursachten jedoch keine verräterischen Geräusche. Im Haus war es still.
Nicht ein fremder Laut oder
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