0118 - Der Dämonenwolf
meinte ich, er wäre tot, aber dann hörte ich sein Stöhnen.
Die Flying Scotsmen hasteten den Hang herauf. Die Begleiterin des Jägers war bei ihnen.
Der Jäger war schauerlich zugerichtet. Es gab kaum eine heile Stelle an seinem Körper, vielleicht noch am Rücken, auf dem er lag. Sein Gesicht war zerschunden, seine Kleider färbten sich rot.
»Der Wolf hätte ihn um ein Haar zerrissen.« Suko schüttelte sich. »Eine gräßliche Bestie. Weißt du aber, was ich glaube, John? Der Wolf ist wie alle Dämonen besonders nachts stark.«
Ich raffte mich auf. Noch mußte ich leicht gekrümmt stehen und die Hand auf den Magen pressen.
»Du meinst«, murmelte ich, »daß er nachts stärker ist als jetzt. Dann wird er auch bestimmt von Tag zu Tag kräftiger, sonst hätte er uns schon letzte Nacht vernichtet.«
Aufschluchzend stürzte sich die Frau auf den Verletzten und sank neben ihm auf die Knie. Aus weit aufgerissenen Augen starrte sie auf ihn hinunter.
Suko unterrichtete mich mit ein paar Worten. »Er muß sofort in ein Krankenhaus«, fügte er hinzu. »Soll ich nach Rranlin fahren und einen Krankenwagen anfordern?«
Ich schüttelte den Kopf. »Das dauert zu lange. Wir bringen ihn weg.«
Nach einer flüchtigen Untersuchung wußte ich, daß wir ihn transportieren konnten. Er hatte keine Knochenbrüche, wahrscheinlich auch keine inneren Verletzungen. Aber zahlreiche Biß- und Kratzwunden waren so tief, daß uns der Mann unter den Händen verblutet wäre, hätten wir auf einen Krankenwagen gewartet.
Die Flying Scotsmen halfen sofort mit. Jeweils zwei reichten einander die Hände und verschränkten sie so ineinander, daß aus ihren Armen eine provisorische Trage wurde. Suko und ich legten den Verletzten vorsichtig darauf. Suko ging voran und verhinderte, daß der Jäger von den Armen der jungen Männer rutschte.
Marga Hemmings, wie die Frau des Wildparkbesitzers hieß, wandte sich an mich, als wir ihren Mann in den Bentley hoben. »Das war kein gewöhnlicher Wolf, nicht wahr?« fragte sie mit einer Stimme, die mich aufhorchen ließ.
»Nein, Mrs. Hemmings«, antwortete ich knapp. »Das hat mein Freund Ihnen und Ihrem Mann klarzumachen versucht.«
Ich hatte keine Zeit, mich weiter um die Frau zu kümmern. Clout Hemmings mußte schnellstens ins Krankenhaus. Aber mir hatte der Ton nicht gefallen, in dem sie sich nach dem Dämonenwolf erkundigt hatte.
»Paß auf sie auf«, flüsterte ich Suko zu. »Ich glaube, sie ist zu einer Dummheit fähig.«
»Schon gut, John, keine Sorge«, erwiderte Suko.
Ich sah im Rückspiegel, wie er mit Mrs. Hemmings zu ihrem roten Sportwagen ging und sich hinter das Steuer schwang. Auf der Hauptstraße holten sie mich wieder ein und folgten mir durch Rranlin hindurch.
Das Krankenhaus lag in Inverness, und bis dorthin war es ein ganzes Stück. Clout Hemmings erwachte nicht aus seiner Bewußtlosigkeit, bis ich ihn in der Notaufnahme ablieferte.
Suko kam zu mir. »Mrs. Hemmings bleibt bei ihrem Mann«, meldete er.
»Sie macht einen recht vernünftigen Eindruck.«
Wir warteten ab, bis die Ärzte eine erste Diagnose stellten. Danach würde Clout Hemmings durchkommen, auch wenn er durch den enormen Blutverlust sehr geschwächt war.
Beruhigt kehrten wir nach Rranlin zurück. Dort wurden wir dringender gebraucht als hier.
Als erstes rief ich Bill Conolly an. Er meldete, daß unsere Frauen von Paris aus mit ihm gesprochen hatten.
»Es geht ihnen gut, und sie haben viel Spaß, lassen sie dir ausrichten«, sagte Bill und lachte leise. »Und wie geht es euch?«
»Wir haben auch viel Spaß«, erwiderte ich grimmig und gab ihm einen kurzen Überblick. »Wenn Jane wieder bei dir anruft, kannst du ihr ausrichten, daß wir den reinsten Erholungsurlaub genießen.«
»Wird gemacht, John«, rief Bill lachend. »Bis zum nächsten Mal! Grüß Suko von mir! Und faulenzt nicht zu viel. Müßiggang ist aller Laster Anfang, du weißt ja.«
»Ich lache mich gleich tot«, antwortete ich grinsend und ging mit Suko zu einem verspäteten Mittagessen.
Dämonenwolf oder nicht, wir mußten etwas in den Magen bekommen, damit wir nicht im entscheidenden Moment schlappmachten. Und dieser entscheidende Moment stand uns noch bevor.
***
»Es geht doch nichts über ein gutes Essen«, sagte ich behaglich und streckte meine Beine unter dem Tisch aus. »Wäre schön, wenn wir jetzt tatsächlich Urlaub hätten.«
»Haben wir aber nicht«, konterte Suko trocken.
»Du hast wohl überhaupt keine Fantasie, nicht wahr?«
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