012 - Das Schloß des Schreckens
Arbeit. Als die Szene abgedreht war, kehrte sie erschöpft in ihre Leichtbauhütte zurück.
Linda Bromfield, eine Statistin, die zugleich Glorya Glantons Zofe war, wimmelte alle Besucher ab.
Hal B. Wyman, der weißhaarige Regisseur mit dem roten Gesicht, drängte sich an Linda Bromfield vorbei. Er fand Glorya Glanton in ihrer Schlafkammer. Das blonde Mädchen lag auf dem Bett, das Gesicht in den Händen vergraben.
»Zu Ehren Ihrer Genesung, Glorya, werden wir heute eine Party veranstalten«, sagte der Regisseur. »Kein Wort mehr von den makabren Vorkommnissen, dem Maurenschloß des Professors Malveillance und all den düsteren und schrecklichen Ereignissen der letzten Tage. — Heute wird gefeiert.«
Glorya Glanton hob den Kopf. Ihre Augen waren vom Weinen gerötet, ihr Gesicht tränenverschmiert.
»Ich will niemanden sehen, Hal«, flüsterte sie. »Das Sonnenlicht — es tat mir so schrecklich weh in den Augen. Mein ganzer Körper schmerzt. — Ich brauche Ruhe, Dunkelheit und Schlaf.« »Ich wollte Sie bitten, uns ganz kurz Gesellschaft zu leisten, Glorya«, sagte der Regisseur. »Nun, vielleicht überlegen Sie es sich noch. — Falls Sie Ruhe brauchen, ruhen Sie sich nur aus. Es kommt auf einen Tag mehr oder weniger nicht an.«
Das war ein weiteres Wunder, denn sonst war Hal B. Wyman hinter jeder Minute Drehzeit her wie der Teufel. Doch die Katastrophe, der er so knapp entgangen war, hatte alles verändert. Für Hal B. Wyman war die Filmarbeit sein Leben.
Er ging zurück zu der feiernden Runde. Glorya Glanton hörte die lauten fröhlichen Stimmen der Männer und Frauen des Filmteams. Es wurde gesungen und gelacht. Kurz nach zehn Uhr erhob sie sich, denn sie konnte nicht schlafen, und ging hinaus zu den anderen.
Ein lautes »Hallo« begrüßte sie. Frankie DeWitt, angetrunken und fröhlich, brachte einen Toast auf Glorya Glanton aus.
»Unsere schöne Glorya Glanton, die Monroe der siebziger Jahre, sie lebe hoch, hoch, hoch!«
Die anderen stimmten ein. Glorya Glanton trank den eisgekühlten Sekt. Dr. Manning Roxley hatte keine Bedenken dagegen, empfahl ihr allerdings Mäßigkeit. Über der ausgelassenen Gesellschaft funkelten die Sterne. Der Tonmeister ließ aus dem Übertragungswagen über Lautsprecher und Verstärker die neuesten Hits ablaufen.
Heißer Beat dröhnte in die Sternennacht. Vom Meer her wehte eine kühle Brise. Glorya Glanton sah in die Richtung, in der sich Professor Malveillances Felsenschloß befand, und sie schauderte unwillkürlich.
Lawrence Albert, der blonde, strahlend aussehende Darsteller des Piratenkapitäns, der zweiten Hauptrolle, verschwand mit einem schlanken, lockenköpfigen Statisten in der Dunkelheit zwischen den Zelten und Leichtbauhütten. Hal B. Wyman tanzte mit seinem Protektionskind, einer dunkelhaarigen vollbusigen Komparsin. Es hätte kein Zeitungsblatt mehr zwischen sie gepasst.
Der lange Lantrell führte Diana Cayle, die Darstellerin einer bedeutenden Rolle, zu ihrem Zelt. Er kam nicht wieder. Glorya Glanton kannte solche Partys. Sie pflegten für die Teilnehmer in völliger Trunkenheit oder im Bett zu enden.
Glorya Glanton war keine Freundin des Trinkens. Sie tanzte mit Frankie DeWitt einen heißen Shake. Franklin DeWitt, so wurde der Schauspieler auf allen Filmplakaten angekündigt, aber kein Mensch nannte ihn anders als Frankie. Glorya Glanton trug einen hautengen Hosenanzug, der keine Linie ihres Körpers verbarg. Ihr Tanz war eine gekonnte Show.
Sie rotierte in den Hüften, wackelte mit allen Kurven. Ihre perlweißen Zähne blitzten beim Lachen. Ihre blauen Augen strahlten Frankie DeWitt an. Er war nicht schwer von Begriff.
Wenige Minuten später verabschiedete sich Glorya Glanton von der schon ziemlich zusammengeschmolzenen Tafelrunde. Sie warf Frankie DeWitt einen auffordernden Blick zu. Er folgte ihr kurze Zeit später.
Im Schatten zwischen den Zelten und Leichtbauhütten küssten sie sich.
»Gehen wir zu mir, Baby«, sagte Frankie DeWitt. »Ich habe dich lange entbehrt und hatte dich schon fast für immer abgeschrieben.«
Auch Frankie DeWitt bewohnte für die Dauer der Dreharbeiten eine geräumige Hütte. Er öffnete für Glorya Glanton die Tür. Dann küsste er sie wild, führte sie durch den Wohnraum zum Schlafzimmer. Das Schlafzimmer enthielt eine Bar, denn die durfte bei Frankie DeWitt nirgends fehlen. Bösartige Klatschkolumnisten behaupteten, dass er kaum noch Blut im Alkohol habe. Seiner Lebensfreude und Potenz tat das aber keinen
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