012 - Das Schloß des Schreckens
gemieden, die anderen im Dorf genauso. — Das Leben ist so schön, weshalb düstere Geheimnisse aufstöbern?«
Dean Warren zahlte und ging. Yvonna und der alte Fischer sahen ihm befremdet nach. Doch Dean Warren kümmerte es nicht. Tief atmete er nach dem verräucherten Dunst der Kneipe die frische Nachtluft ein. Es ging schon auf Mitternacht zu.
Dean Warren setzte sich in den Chrysler und fuhr zum Filmdorf. Er wollte nach Glorya Glanton sehen. Vielleicht war sie noch wach — oder sie war auf einer ihrer unheimlichen Mordtouren. Dean Warren erschauerte, nicht von der Kühle der Nacht.
Ohne Licht fuhr er an das Filmdorf heran, parkte den Wagen bei den Fahrzeugen des Filmteams. Als er ausstieg, hörte er den Lärm der Feiernden. Er ging durch das menschenleere Filmdorf zu Glorya Glantons Hütte. Sie lag im Dunkeln.
Unter den Feiernden war sie auch nicht, wie Dean Warren sah, als er sich im Schatten der Unterkünfte der Festtafel näherte. Doch er hörte die heisere Stimme eines Schauspielers: »Glorya und Frankie sind recht früh verschwunden. Wetten, dass sie ein Spielchen zu zweit treiben? Glorya hat sich verdammt rasch erholt; das Leben hat sie wieder.«
Ein bildhübsches Mädchen stieg auf den Tisch. Zwischen den Flaschen und Gläsern begann es einen Striptease, der es in sich hatte. Dean Warren hatte kein Auge dafür. Er ging durch das Filmdorf zu Frankie DeWitts Leichtbauhütte. Ein Fenster war erleuchtet.
Ein Betrunkener wankte an Dean Warren vorbei. Er beachtete ihn nicht. Dean Warren überlegte gerade, ob er durch das Fenster ins Innere der Hütte spähen sollte, da sah er, wie eine nackte Frau durch die massive Wand trat. Im bleichen Mondlicht erkannte er Glorya Glanton.
Sie hatte keinen Faden am Leib, doch das beachtete Dean Warren nicht. Ihr unbewegtes Gesicht und ihr starrer Blick erregten seine Aufmerksamkeit Glorya Glanton ging durch das verlassene Filmdorf. Dean Warren folgte ihr wie ein Schatten. Er sah sie durch die Wand ihrer Hütte treten.
Dean Warren schlich näher. Er spähte durch das Fenster ins dunkle Schlafzimmer, legte das Ohr an die Scheibe. Minuten vergingen. Dann hörte er in der Hütte ein wildes Aufschluchzen. Das Licht flammte auf. Dean Warren wich etwas vom Fenster zurück.
Er sah Glorya Glanton auf dem Bett liegen, das Gesicht in den Kissen vergraben. Sie schluchzte krampfhaft. Dean Warren ging zurück zu Frankie DeWitts Hütte und spähte dort durch das noch immer erleuchtete Fenster.
DeWitt lag auf dem Rücken, tot, das Gesicht blauviolett verfärbt und grässlich verzerrt. Einige Augenblicke stand Dean Warren reglos da.
Dann ging er zu Glorya Glantons Hütte. Das Licht im Schlafzimmer brannte. Dean Warren klopfte an die Tür. Nach einer Weile öffnete Glorya Glanton die Tür. Sie trug einen leichten Hausmantel aus roter Seide.
»Du, Dean?« sagte sie ohne allzu viel Überraschung.
Dean Warren nickte. Er ging an Glorya vorbei ins Innere der Hütte.
»Ich muss mit dir reden, Glorya«, sagte er. »Frankie DeWitt ist tot. Ich sah dich aus seiner Unterkunft kommen. — Du gingst direkt durch die Wand.«
Glorya Glanton schloss die Tür. Sie sank auf einen Stuhl, schlug die Hände vor das Gesicht.
»O Dean, es ist so schrecklich. Dann war es also kein Traum. Seit ich von der Klippe stürzte und im Schloss jenes unheimlichen Mannes, Professor Malveillance, war, gehen grässliche Dinge in mir und mit mir vor. — Ich träume, dass etwas in mich eindringt. Der Professor oder sein Diener fahren mich dann irgendwohin. Ich gehe durch die verlassenen, menschenleeren Straßen und stehe vor einem Haus. — Ich sehe eine Wand vor mir, aber die Wand ist nicht wirklich, denn plötzlich bin ich jenseits der Wand. — Da ist ein Mann, und ich sehe ihn, sehe durch ihn hindurch und fühle das starke, pulsierende Leben in ihm. Ich gehe auf ihn zu, packe ihn; sein Gesicht verzerrt sich. Von meinen Händen geht die Kälte des Todes auf ihn über, lähmt sein Herz und streift mit eisigen Fingern sein Gehirn. — Er röchelt sterbend. Und ich, ich öffne den Mund, und in mich strömt jene herrliche, starke Kraft, die ihn verlässt. — Sein Leben. Seine Lebensenergie geht auf mich über und doch nicht auf mich, denn irgendwann erwache ich wieder aus diesem Traum. In mir ist Abscheu, Schrecken und Entsetzen. — Jenes Etwas, das in mir war, in meinem Geist und meinen Gedanken, ist verschwunden wie Rauch im Wind und mit ihm jene Lebensenergie, die ich dem Sterbenden geraubt habe. — Es ist,
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