012 - Das Schloß des Schreckens
als sei ich ein Werkzeug, Dean, das Geschöpf einer schrecklichen Macht.«
Wieder schluchzte sie auf. Dean Warren streichelte sacht Glorya Glantons Schultern.
»Mein Liebling«, sagte er, »mein armer, armer Liebling!«
Was konnte er tun? Glorya Glanton fesseln? Aussichtslos. Wie sollte er ein Geschöpf gefangen halten, für das feste Mauern kein Hindernis waren? Es gab nur eine Möglichkeit, in der alten Burg war die Wurzel allen Übels. Dorthin musste Dean Warren gehen, um einen Weg zu finden, und Professor Malveillance zur Hölle zu schicken, wo sie hingehörten, oder zu sterben.
Glorya Glanton schluchzte verzweifelt auf.
»O Dean, Dean, das ertrage ich nicht. Das geht über meine Kraft. Wenn es mich jetzt wieder packt, was dann?«
Dean Warren küsste Glorya Glanton auf die Stirn. Zu mehr konnte er sich nicht aufraffen, denn es grauste ihn vor ihr.
»Laß dir von Dr. Roxley eine Betäubungsspritze geben, dass du tief und fest schläfst«, sagte er. »Versuche, die schreckliche Gewissheit irgendwie zu ertragen. Du darfst dich nicht umbringen, auf keinen Fall, hörst du? Denn woher weißt du, dass du nicht auch nach deinem Tod noch umhergehen und deine Opfer suchen musst?«
Nie würde er Glorya Glantons Gesicht vergessen und den Ausdruck in ihren Augen, als sie ihn ansah. Ihr Gesicht war bleich und zerquält. Dean Warren war kein frommer und religiöser Mann, doch bei Glorya Glantons Anblick musste er an eine Seele im Fegefeuer denken. Oder gar schon in der Hölle?
Dean Warren verließ die Unterkunft der unglücklichen, von einem dämonischen Geist besessenen Schauspielerin.
***
Der Chrysler stand, wie Dean Warren ihn verlassen hatte. Er schloss die Wagentür auf, setzte sich auf den Fahrersitz. Irgendetwas, eine Ahnung oder sein Instinkt, ließen Dean Warren sich umsehen.
Hinter ihm stand das Totengerippe, jener Schreckliche aus der Felsenburg!
Bevor noch Dean Warren die Tür des Wagens schließen konnte, packten eisige, stählerne Knochenfinger seinen Hals. Ein kalter Strom rann durch Dean Warrens Adern. Er rang nach Luft. Schon sah er die bleckenden Zähne des schrecklichen Totenschädels sich seinem Gesicht nähern.
Wie aus weiter Ferne hörte Dean Warren ein leises, hämisches Kichern. Die Stimme des Professors Malveillance sagte: »Er kann von nicht übernommen werden, sein Geist ist immun. — Doch kämpfen kann er gegen den Ghul auch nicht. Nur einer unter tausenden ist imstande, Widerstand zu leisten.«
Diese Worte weckten noch einmal Dean Warrens ganze Energie. Irgendwo aus seinem innersten Kern strömte ihm die Kraft zu, sich aufzubäumen gegen den mörderischen Griff der Knochenhände, die wie kaltes Feuer an seinem Halse brannten. Dean Warren schaffte es, die mörderischen Hände von seinem Hals wegzureißen.
Er stieß das grässliche Gerippe zurück, schlug die Wagentür zu. Mit zitternden Fingern drehte er den Zündschlüssel im Schloss. Der Motor kam sofort. Dean Warren hieb den ersten Gang ein. Die Scheinwerfer des Chrysler leuchteten auf.
Im Scheinwerferlicht sah Dean Warren den buckligen Professor Malveillance und seinen Diener Gabriel. Vor ihnen aber stand das Skelett, der Fürst der Ghuls und Dämonen. Dean Warren raste auf das Totengerippe zu.
Die rechte äußere Kante der Stoßstange traf. Es war, als ginge sie durch seine beinernen Skelettknochen hindurch. Kein Laut war zu hören. stand unbeweglich an der gleichen Stelle. Dean Warren raste davon.
Sein Herz schlug wie ein Hammer. Er fuhr die gewundene Uferstraße entlang, von Entsetzen gepeitscht. Die Panik trieb ihn vorwärts. Erst als er die vielen Lichter von Tanger vor sich sah, wurde Dean Warren etwas ruhiger. Er verminderte die Geschwindigkeit.
Um Haaresbreite war er dem Tod entgangen. Dem Tod von der Hand eines grauenvollen Geschöpfes, das längst hätte tot und vermodert sein sollen, das aber immer noch vom Sterben anderer eine grauenvolle Existenz fristete.
Glorya Glanton war diesem Geschöpf verfallen, dem Ghul. Wie konnte Dean Warren sie retten und die Gefahr beseitigen? Zum hundertsten mal stellte er sich diese Frage.
In dieser Nacht hatte er nicht mehr den Nerv, die Felsenburg noch zu besuchen. Er wollte schlafen und für ein paar Stunden das Grauen vergessen. Dean Warren fuhr direkt zum Hotel.
Als er die Halle betrat und sich an der Rezeption vom Nachtportier den Schlüssel geben ließ, starrte der mit weit aufgerissenen Augen auf seinen Hals.
»Was gibt es denn da zu sehen?«
»Ihr Hals, Mr. Warren. —
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