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0120 - Die Stunde der Vampire

0120 - Die Stunde der Vampire

Titel: 0120 - Die Stunde der Vampire Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Hans Wolf Sommer
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Licht flackernder Fackeln tauchte das Haus in geisterhaftes Licht. Die große, monatliche Voodoo-Zeremonie würde gleich beginnen.
    Dumpf dröhnten die Radatrommeln, hart und schnell die kleineren, langsam und hypnotisch die größeren. Cedric, der Voodoopriester, stand vor dem großen Altar und machte magische Handbewegungen, um die Opfertiere zu beruhigen. Ihm zur Seite standen die Mamaloi und Papaloi, die Mütter und Väter des Heiligen, die die höchsten Weihen erfahren hatten. Die Gläubigen hatten sich in einem weiten Rund um den Altar geschart und warteten darauf, daß der Priester die Zeremonie eröffnete.
    Dann war es soweit. Cedric wandte sich der Gemeinde zu. Seine schlanke, hochaufgeschossene Gestalt und sein scharf geschnittenes, asketisches Gesicht wirkten wie aus Stein gemeißelt. Die pechschwarze Haut glänzte im Fackelschein. Er trug das der Gottheit geweihte goldene Diadem und die traditionelle blaue Schärpe, die nur er, der Hougan, tragen durfte. Jetzt hob er die Hand, in der er das heilige Glöckchen hielt.
    Wie gebannt hingen die Augen der Anwesenden an ihm. Niemand sprach, niemand wagte auch nur, sich zu räuspern oder gar zu husten. Nur das Tomtom und Tacktack der Radatrommeln war zu vernehmen, leiser inzwischen, nur noch als Hintergrundbegleitung.
    Cedric ließ den Silberklang des heiligen Glöckchens ertönen. Dann drehte er sich wieder dem Altar zu.
    »Große Damballah, heilige Schlange«, rief er die höchste Voodoo-Göttin an. »Dein Volk erbittet die Gnade deiner unendlichen Weisheit, die große Güte deiner Allwissenheit. Damballah, wir flehen dich an! Schütze dein Volk! Warne uns vor dem Ungemach, das uns während des nächsten Mondes heimsucht. Große Damballah, heilige Schlange, wir danken dir!«
    Cedric ließ die Arme, die er während der Anrufung erhoben hatte, nach unten sinken. Er streckte die Hände nach den Opferhühnern aus und tötete sie. Anschließend schichtete er sie auf dem Altar, nahm eine Schale mit Maismehl zur Hand und streute das Mehl so auf die geopferten Tiere, daß ein Kreuz entstand.
    Die Papaloi und Mamaloi hatten unterdessen den ebenfalls zum Opfer bestimmten Ziegenbock mit Blumen und Girlanden geschmückt. Cedric packte das Tier an den Hörnern und setzte sich darauf.
    Das war das Zeichen für die Gemeinde…
    Die Radatrommeln wurden wieder lauter, erfüllten mit ihrem Dröhnen die heilige Höhle. Die Gemeindemitglieder begannen einen monotonen Chorgesang.
    Der Tanz der Adepten fing an. Tagelang hatten sie vorher gefastet und ihren Körper einem reinigenden Kräuterbad unterzogen, um bereit zu sein für die Aufnahme der Göttin. Jetzt strebten sie dem Höhepunkt entgegen, dessen Ziel es war, sich selbst ganz zu vergessen und den Körper der großen Damballah zu überlassen.
    Nur einem von ihnen würde es vergönnt sein, den Höhepunkt zu erreichen. Aber sie alle fieberten danach, dieser oder diese eine zu sein. Und die Ekstase sollte ihnen dabei helfen.
    Sie tanzten mit unbändiger Leidenschaft. Wild wirbelten sie hin und her, getrieben von den Synkopen der Trommeln und des Chorgesangs. Ihre schwarzen, bald schweißüberströmten Körper wanden sich wie Schlangen, zuckten auf und nieder, verrenkten sich in schier unmöglichen Posen, Schaum trat ihnen vor den Mund, und ihre Augen rollten wie bunte Glaskugeln. Ihre Füße jagten über den Felsboden, als würden sie eine Art Eigenleben führen, nur dem ekstatischen Rhythmus gehorchend.
    Und dann hatte die Göttin ihre Wahl getroffen…
    Cécile, eine junge Frau, die erst seit kurzer Zeit zu den Adepten gehörte, torkelte mit geschlossenen Augen auf den Altar zu. Vor Cedric, der nach wie vor auf dem Ziegenbock saß, brach sie zusammen. Sie stürzte auf den Felsboden, wand sich dort in schrecklichen Krämpfen und stieß schrille Schreie aus, die kaum noch etwas Menschliches an sich hatten. Langsam aber ließen die konvulsivischen Zuckungen ihres Körpers und ihrer Glieder nach. Ihre Schreie verloren an Lautstärke, gingen in ein Röcheln über. Dann, abrupt, lag sie ganz still, wie tot. Kein einziger Ton drang mehr aus ihrer Kehle.
    Schlagartig verstummte der Chorgesang. Und auch die Trommeln schwiegen von einer Sekunde zur anderen.
    Cedric, der Prister der Göttin, sprang vom Rücken des Ziegenbocks, ohne das Tier jedoch loszulassen. Einer der Papaloi reichte ihm ein schweres Zuckerrohrmesser. Mit einem einzigen, wuchtigen Streich enthauptete er die Opferziege. Ein anderer Papaloi gab ihm eine glänzende

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