0120 - Die Stunde der Vampire
wieder auf.
»Er lebt! Aber nicht mehr lange, wenn er nicht schnellstens ärztliche Hilfe bekommt. Rufen Sie einen Arzt, Agnes! Und am besten auch gleich die Polizei.«
Die Verkäuferin huschte davon, um zu telefonieren. Wenig später war sie wieder zur Stelle. Tom Parsons hatte unterdessen seine Jacke ausgezogen und den Bewußtlosen darauf gebettet. Mehr konnte er im Augenblick nicht tun.
Auch Parsons war der Ansicht, daß Einbrecher über Kevin Hopkins hergefallen waren. Er machte einen Rundgang durch den Supermarkt, um festzustellen, was gestohlen worden war. Er kannte jede Ecke des Verkaufsraumes. Und so brauchte er nicht lange, um zu erkennen, daß lediglich die Lebensmittelabteilung Federn gelassen hatte. Und zwar gründlich. Fast sämtliche Konserven waren verschwunden.
Verständnislos schüttelte er den Kopf. Der Supermarkt war gut bestückt, hatte echte Wertsachen in seinen Auslagen. Und da gingen die Kerle hin und klauten lediglich preiswerte Konserven, und das auch noch zentnerweise. Er fragte sich, wie sie das ganze Zeug nach draußen geschleppt und abtransportiert hatten.
Diese Frage wurde immer brennender, als ihm Agnes Lytton sagte, daß die Hintertür ordnungsgemäß abgeschlossen und durch den Körper Hopkins’ blockiert gewesen war. Auf diesem Weg konnten die Einbrecher ihre Beute also nicht nach draußen befördert haben.
Auf welchem Weg aber sonst?
Der Haupteingang oder eins der Fenster kam nicht in Frage. Scheiben und Rollgitter waren unberührt. Über das Dach vielleicht? Der Supermarkt war ein eingeschossiges Gebäude mit einem Flachdach. Theoretisch war es demgemäß denkbar, daß sie den Weg von oben genommen hatten.
Kurz darauf wußte er, daß auch diese Möglichkeit ausschied. Es gab kein Loch in der Decke. Und auch die Gitter auf den Luftschächten hatte niemand angetastet. Tom Parsons stand vor einem kompletten Rätsel.
Nach und nach stellten sich die anderen Angestellten ein. Verständlicherweise war auch ihre Verwirrung groß.
Die ersten Kunden begehrten Einlaß, vergeblich jedoch. Tom Parsons, der in Stellvertretung Hopkins’ die Leitung des Supermarkts übernommen hatte, hielt es für angebracht, den Laden vorerst geschlossen zu halten.
Dann kam der Arzt und kümmerte sich um den bewußtlosen Filialleiter. Tom Parsons, der dabeistand, entging nicht, daß sein Gesicht bei der Untersuchung immer länger und verwunderter wurde. Schließlich richtete sich der Doktor auf und klappte seinen Instrumentenkoffer zu.
»Wird er durchkommen, Doktor?«
Der Arzt nickte. »Ich glaube schon. Er hat viel Blut verloren, mehrere Liter, soweit ich das jetzt schon beurteilen kann. Eine Transfusion sollte ihn jedoch bald wieder auf die Beine bringen.«
»Ist er angeschossen worden?« wollte Parsons wissen.
»Nein.«
Der Substitut wunderte sich über diese Auskunft nicht. Er hatte selbst kein Einschußloch registrieren können.
»Ein Messerstich«, vermutete er deshalb.
Und wieder verneinte der Arzt. »Sie liegen völlig falsch, Mr. Parsons.«
»Teufel auch«, sagte Parsons ärgerlich. »Wenn es keine Kugel und kein Messer war…«
»Sehen Sie mal hier, Mr. Parsons!« Der Arzt deutete auf zwei rote Punkte am Hals des Filialleiters. »Getrocknetes Blut. Das ist die einzige Verletzung, die er hat. Abgesehen von ein paar Schwellungen am Kopf und am Unterarm.«
Parsons kniff die Augen zusammen um besser sehen zu können. »Sieht aus, als ob…, als ob ihn da jemand gebissen hätte«, sagte er unsicher.
»Ja, genauso sieht es aus«, bestätigte der Doktor. »Und nicht nur das. Alles spricht dafür, daß sich dieser Verrückte nicht allein aufs Beißen beschränkt hat, sondern auch… na ja, für den Blutverlust verantwortlich ist.«
»Sie meinen…« Tom Parsons machte ein entsetztes Gesicht. Ein Würgen stieg in seiner Kehle auf.
»Ja«, sagte der Arzt. »Dracula läßt grüßen!«
Kurz darauf trafen ein Krankenwagen und die Polizei ein.
***
Strahlender Sonnenschein lag über Château de Montagne, dem Wohnsitz Professor Zamorras im romantischen Loire-Tal. Es versprach ein herrlicher Tag zu werden.
Der Professor saß auf der Terrasse des Frühstückszimmers und köpfte genüßlich ein Vier-Minuten-Ei. Ein Frühstück im Freien - wann war das in Mitteleuropa schon möglich?
Auch Nicole Duval, die grazile und bildhübsche Sekretärin und Freundin Zamorras, fühlte sich sichtlich wohl. Ein Lächeln umspielte ihre vollen Lippen und zauberte zwei reizende Grübchen auf ihre
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