0120 - Die Stunde der Vampire
sich am Sonntag eingeschrieben. Zwei Männer namens Travis und Flynn aus Boston, USA.
»Hm«, machte der Professor.
Tiefe Besorgnis stieg in ihm auf. Waren Nicole und Croce gar nicht nach Les Cayes gekommen? Hatten die Leute Dessalines’ vielleicht eine Verbindung zwischen ihm und seinen Freunden festgestellt und sie an der Abreise von Port-au-Prince gehindert?
»Mademoiselle und Monsieur vielleicht verschwunden?« mutmaßte der Hotelmensch überraschend.
Zamorra blinzelte ihn an. »Wie meinen Sie das?«
»Manche Leute auf einmal spurlos verschwunden. Hier…«, der kleine Mann deutete auf die Kladde, »… Messieurs Travis und Flynn machen Tour durch Stadt und kommen nie wieder.«
Zamorra furchte die Stirn. Er erinnerte sich an sein Gespräch mit dem stellvertretenden französischen Botschafter, der ihm einiges von vermißten und verschollenen Personen erzählt hatte. Gab es da einen Zusammenhang? Waren auch Nicole und Croce in diese Serie verschwundener Personen einzuordnen, die seiner Ansicht nach nicht auf das Wirken der Vampire zurückzuführen war?
Es hielt Zamorra nicht länger im Imperial. Eigentlich hatte er vorgehabt, sich erst einmal eine kräftige Mahlzeit einzuverleiben. Aber die Unruhe, die jetzt mit voller Macht Besitz von ihm ergriffen hatte, ließ ihn seinen knurrenden Magen vergessen. Er bedankte sich bei dem Hotelmenschen für die unerfreulichen Auskünfte und stieg dann wieder in den Peugeot, nicht ohne sich vorher noch nach der Lage des Flugfeldes von Les Cayes erkundigt zu haben.
Er fuhr sofort los. Vielleicht konnte er am Flughafen in Erfahrung bringen, ob Nicole und Croce überhaupt in Les Cayes angekommen waren.
Eine knappe Viertelstunde später war er am Ziel.
Viel Auswahl, bei wem er Erkundigungen einholen sollte, hatte er nicht. Im Flughafengebäude gab es insgesamt zwei Schalter, hinter denen Angestellte hockten. Beim ersten stieß Zamorra auf blankes Nichtwissen. Beim zweiten jedoch hatte er mehr Glück.
Der Flughafenmensch, jung und pfiffig aussehend, sagte nicht rundherum ›nein‹, sondern überlegte wenigstens.
»Die beiden Personen, die ich suche, sind eigentlich nicht zu verkennen«, drängte Zamorra. »Die Frau ist jung und sehr hübsch. Mittellanges, schwarzes Haar, schlank, aber erstklassige Figur. Und der Mann… Er hat eine so lange Nase…« Er fügte seinem eigenen Riechorgan eine Daumenlänge an. »Lieber Freund, so viele Flugreisende kommen doch hier am Tag nicht an. Sie müssen sich doch erinnern können!«
Und der junge Angestellte konnte sich tatsächlich erinnern.
»So ’ne Nase«, sagte er und lachte. »Ja, ich bin sicher… Die beiden sind gestern angekommen. Sie hatten vier oder fünf Koffer bei sich, oui?«
Die Kofferzahl lieferte Zamorra den Beweis, daß sie tatsächlich dieselben Personen meinten. Sein Puls beschleunigte sich etwas. Die beiden waren also doch in Les Cayes gelandet.
Und dann verschwunden!
»Wissen Sie auch, wo die beiden dann geblieben sind?« fragte er den Angestellten. »Haben Sie eine Taxe genommen? Sind sie zu Fuß weggegangen?«
»Tut mir leid, Monsieur…«
Zamorra zückte seine Brieftasche und holte eine Hundert-Dollar-Note hervor. Der junge Neger bekam Stielaugen.
»Wenn Sie sich mal bei Ihren Kollegen umhören würden? Die kleinste Information ist mir das Geld wert.«
Der junge Mann zog eine Klappe vor seinen Schalter. Zwei Sekunden später stand er neben Zamorra.
»Ein bißchen Geduld, Monsieur.«
Er wieselte davon. Zamorra sah ihn mit diversen Leuten reden, innerhalb und außerhalb des Flughafengebäudes. Nach etwa zehn Minuten war er wieder zurück.
»Ihre Freunde sind mit einem Geländewagen weggefahren«, sagte er. »Nicht nach Les Cayes, sondern in westlicher Richtung.«
Zamorra gab ihm seine hundert Dollar.
***
»Geben Sie’s auf, Mister«, sagte Spencer Travis. »Und wenn Sie Goliath persönlich wären - Sie würden’s doch nicht schaffen!«
Gordon Wilford, der sich noch vor ein paar Stunden in Freiheit befunden hatte und somit das jüngste Mitglied der Leidensgemeinschaft war, wollte es noch nicht glauben. Immer wieder stemmte er sich gegen den gewaltigen Felsbrocken, der den Eingang der natürlichen Höhle blockierte. Aber natürlich gelang es ihm nicht, das steinerne Hindernis auch nur um einen einzigen Millimeter zu bewegen. Schließlich sah Wilford die Aussichtslosigkeit seiner Bemühungen ein. Er hörte auf, seine Kräfte zu strapazieren, und kehrte frustriert zu den anderen zurück.
Nein,
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