0123 - Wir zertraten die Hafenratten
ein paar Schritte weit geschleudert.
Carrol fuhr hoch und stürzte sich auf seinen Gegner. Bevor er ihn erreicht hatte, war der Kerl auch schon wieder auf den Beinen. Sein Gesicht war verzerrt.
»Komm«, krächzte er. »Komm her, du Bulle. Dich mach ich fertig.«
»Das werden sie gleich sehen«, erwiderte Carrol. »Ich habe dich aus dem brennenden Schlitten herausgeholt…«
»Deine Schuld«, unterbrach der Gangster.
Carrol stutze. So also sah der Kerl die Dinge. Carrol schüttelte den Kopf. Immer wieder stand er vor diesem Rätsel. Immer wieder bei seinen Begegnungen mit Gangstern fragte er sich, wie ein Mensch so bar jeder Moral, so ohne jedes Gewissen, ohne jedes menschliche Gefühl leben konnte. Und er musste immer wieder die ihm unerklärliche Feststellung machen, dass es mm einmal Leute gab, die so lebten.
Langsam schritt er auf den Gangster zu. Der hatte sich ein wenig geduckt, die Fäuste halb zur Deckung erhoben und Kampfgier im Gesicht. Als er den letzten Schritt tat, bekam Carrol den ersten Schlag. Er traf ihn ein wenig links vor der Brustgrube. Er hätte ihn abwehren können, wenn er nur gewollt hätte. Aber seine Wut ließ ihn seine eigene Deckung vergessen. Mit einem gewaltigen Schlag riss Carrol dem Burschen die Deckung auseinander. Dann setzte er sofort einen harten Hieb gegen die Rippen des Burschen.
Carrol sah, wie der Kerl den Mund aufriss und gequält nach Luft japste.
»Na?«, fragte Carrol Es war kein Hohn, kein Hass, überhaupt kein Gefühl in dem einen Wort. Es klang eher wie die sachliche Frage eines Nachrichtensprechers, ob man auch nicht vergessen habe, das Radio auf Zimmerlautstärke einzustellen.
Carrol bekam einen-Tritt gegen das linke Schienbein, der ihn fast umgeworfen hätte, ein heftiger Schmerz breitete sich von seinem Bein aus.
Er wartete eine Sekunde, täuschte mit der Linken etwas vor und knallte dann seine Rechte so hart wie ein Stahlmantelgeschoss vor. Der Hieb explodierte genau am richtigen Punkt.
Der Gangster wurde ein wenig angehoben, schoss zurück und krachte mit dem Rücken in ein Gesträuch, Äste und Zweige unter sich niederreißend.
Carrol rieb sich die Knöchel. Auch er hatte diesen Schlag gespürt.
Dann ging er langsam zu dem Bewusstlosen. Mit der Pistole in der Hand wartete er, bis der Kerl wieder zu sich gekommen war. Es dauerte ziemlich lange.
Carrol gab ihm noch ein paar Minuten, um neu zu Kräften zu kommen. Dann warf er ihm sein Taschenmesser hin. »Wir werden jetzt zwei junge Birken suchen«, erklärte er. »Und du wirst sie mit dem Messer abschneiden, und wenn du eine Stunde für jeden Stamm brauchst. Du wirst einen Schnipser Holz nach dem anderen schneiden, dann die Äste und eine schöne Tragbahre mit deinem Jackett herstellen.«
Der Gangster starrte das Taschenmesser an. Er schüttelte in stummem Widerstand den Kopf.
Carrol kniff die Augen zusammen.
»Mein Kollege ist schwer verletzt« .sage er leise. »Er ist bewusstlos und hat Fieber. Wir müssen ihn hinauf zur Straße transportieren, denn nur dort oben haben wir Aussichten, entdeckt zu werden. Ich sage dir, du wirst tun, was ich verlangt habe. Du wirst es - so oder so. Zwing mich nicht zum Äußersten. Es geht um das Leben meines Kameraden.«
Der Verbrecher starrte Carrol erschrocken an. In seiner Stimme war etwas gewesen, was mehr als die Worte klargemacht hatte, wir ernst Carrol es meinte.
Der Gangster griff zum Messer und stand auf. Carrol bestimmte die Richtung und folgte, die entsicherte Pistole in der Hand.
***
Phil hatte mich schließlich davon überzeugt, dass es keinen Sinn gehabt hätte, die Nacht im Office zu vergrübeln. Also waren wir nach Hause gefahren und hatten beide ziemlich unruhig geschlafen, wie ich am nächsten Morgen unschwer an Phils Gesicht erkennen konnte.
Um neun am nächsten-Vormittag wurden wir zu Mister High gerufen.
George Hunter war bei ihm. Er sah erbarmungswürdig aus, denn es war nun schon die zweite Nacht, die er nicht ins Bett gekommen war. Seine Augen waren gerötet, die Lider entzündet. Er sprach leiser als sonst. Auch seine Bewegungen verrieten Übermüdung. Ich wusste, dass er meinetwegen die ganze Nacht hindurch gearbeitet hatte, und eine warme Welle von Zuneigung zu diesem prächtigen Kameraden erfasste mich.
»Die Sache sieht sehr böse für uns aus«, sagte Mister High. »Es sind nicht die geringsten Spuren dafür gefunden worden, dass nach euch, Jerry und Phil, noch jemand in dem Zimmer war, indem das Mädchen starb. Andererseits
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