0125 - Der Leichenbrunnen
Anfänger. Es müßte doch eine Möglichkeit geben, die Skelette zu überwältigen.
Aber die waren raffiniert. Sie bildete eine Kette, um mich von drei Seiten unter Feuer nehmen zu können, wenn ich etwas wagte.
Zudem war das Gelände eben. Kein Abhang tat sich vor mir auf, über den ich in irgendeine Mulde hätte rutschen können. Es sah also weiterhin mies aus.
Zehn Minuten waren wir sicherlich schon unterwegs, und mir war immer noch nichts eingefallen.
Dann jedoch sah ich meine Chance.
Etwa drei Schritte vor mir wuchs etwa in Kopfhöhe ein starker Ast. Ich mußte in die Hocke gehen, um unter ihm hinwegtauchen zu können.
Das tat ich auch.
Gleichzeitig aber packten meine Finger den Ast und zogen ihn machtvoll zurück.
Als ich weit genug entfernt war, ließ ich den Ast wieder los, der sofort zurückschnellte. Er wirkte wie eine Peitsche und hämmerte gegen den Schädel des Skeletts.
Ich vernahm zwar das Aufprallgeräusch, sah jedoch nicht mehr, wie der Knöcherne zurücktaumelte. Dafür hörte ich den Schuß.
Rechts von mir peitschte er auf.
Das Blei jaulte dicht an meinem Kopf vorbei und sauste in den Boden, wo es Blätter aufwarf. Ich rollte hinter einen Baumstamm und zog während der Drehungen meine Beretta. Es war ein verdammtes Spiel, ich konnte nicht schnell genug sein und besaß nicht die Zeit, richtig zu zielen.
Ich feuerte zwar, aber die Kugel hackte in einen Stamm. Dafür schrammte ich mit dem Rücken über eine aus dem Boden hervorstehende Wurzel, der Schmerz lenkte mich für einen Moment ab, und das war ein schwerer Fehler.
Plötzlich stand eines der Skelette neben mir.
Mein Arm fuhr herum, ich wollte abdrücken, im gleichen Augenblick schlug der Knöcherne mit dem Waffenlauf zu.
Der Hieb fegte mir die Beretta aus der Hand.
Dann folgte der zweite Schlag.
Und der traf mich an der Stirn.
Ich hörte mich schreien, so heftig war der Schlag. Eine Schmerzwelle paralysierte mich. Sie raste durch meinen Kopf tief in den Körper hinein, erfaßte jedes Glied und tötete es. Dann war die verdammte Dunkelheit der Bewußtlosigkeit da, die mich mit in ihre unendliche Tiefe riß…
***
Als die Tür hinter dem Fremden und den drei Skeletten zufiel, war es erst einmal still. Niemand sprach ein Wort, jeder starrte nur vor sich hin und mußte den Schrecken verdauen.
Schließlich war es Cora Bendix, die den Anfang machte. Sie konnte einfach nicht mehr länger sitzen bleiben und sprang heftig auf. »Wir müssen ihnen nach!« forderte sie die anderen auf. »Wir können ihn doch nicht in sein Unglück rennen lassen. Los, Männer, was sitzt ihr denn noch hier so feige herum?«
Die Leute rührten sich nicht.
Cora schaute mit flammendem Blick von einem zum anderen.
Das Wirtsehepaar senkte den Kopf, ebenso wie der ältere Mann im Tweedanzug oder der schwarzhaarige Typ mit den dicken Lippen.
Nur der jüngere war Coras Meinung. Er sagte: »Okay, versuchen wir es!«
»Sie werden es nicht schaffen!« mischte sich die Wirtin ein. »Es lohnt sich nicht.«
Cora schaute die Frau an. »Woher wissen Sie das?«
»Weil sie es uns gesagt haben.«
»Wann?«
»In der vergangenen Nacht. Da sind sie gekommen und haben uns auf alles vorbereitet. Dieses Haus ist versiegelt. Magisch versiegelt. Wir können nur warten.«
»Auf wen?«
»Darauf, daß die anderen kommen und das Schicksal in die Hände nehmen.«
»Nein, das lassen wir uns nicht bieten.« Cora drehte sich entschlossen um und schritt zur Tür.
»Nicht!« rief die Wirtin, und der braunhaarige Mann wollte Cora zurückhalten, doch seine Hand griff ins Leere. Cora wollte nicht hören. Entschlossen schritt sie auf die Tür zu, griff nach der Klinke und brüllte im selben Augenblick auf.
Plötzlich stoben Funken hoch. Sie zogen ihre Bahn über den Arm des Mädchens, erreichten das Gesicht und bewirkten den mörderischen Schmerz.
Cora Bendix hing an der Türklinke wie festgeleimt.
Die anderen schauten nur – bis auf den jungen Anwalt. Lionel Finch konnte das nicht mit ansehen.
Auch er jagte von seinem Sitz hoch. Mit drei gewaltigen Sprüngen überwand er die Distanz zu dem schreienden Mädchen, packte es am Arm und riß die Hand von der Klinke.
Cora Bendix wimmerte noch immer. Sie lag am Boden, schluchzte, und die Tränen rannen über ihr Gesicht.
»Okay, okay«, sagte der Anwalt, »es ist ja alles vorbei.« Er faßte Cora unter und hob sie hoch.
Das Girl schüttelte den Kopf. »Es ist so schrecklich«, flüsterte Cora. »Sie glauben gar nicht – ich
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