0129 - Der Zyklop aus der Hölle
hob seine gefesselten Hände und deutete in die Runde, »da wissen Sie sicherlich einen Ausweg aus dieser Misere?«
Alceste schüttelte den Kopf. »Auf keinen Fall, Herr Mallmann. Ich bin ebenso schlau wie Sie.«
»Was heißt das?«
»Ich kenne mich in diesem Keller nicht aus. Ich bin zum erstenmal hier unten. Mein Vater hat mir verboten, die Luke zu öffnen.«
»Woran Sie sich auch gehalten haben?«
»Natürlich.«
Will Mallmann wollte noch etwas fragen, verschluckte die Worte jedoch, weil er von oben Schritte hörte. Auch die anderen hatten sie vernommen, und Manfred Riegel meinte: »Da ist jemand gekommen. Sicherlich dein Vater.«
»Nein, der läuft anders«, widersprach Alceste.
Manfred Riegel runzelte die Stirn. »Wer kann es dann sein?« Unwillkürlich senkte er seine Stimme.
Schulterzucken, aber alle drei schauten zur Luke hoch, deren Umrisse sich schwach unter der Decke abhoben.
Dann knirschte oben der Riegel.
Die Menschen hielten den Atem an.
Langsam wurde die Luke hochgezogen. Undeutlich zeichnete sich in dem Rechteck ein Gesicht ab.
Ein Gesicht, das Will Mallmann kannte.
Es gehörte Wachtmeister Nese!
***
»Das ist er!« zischte Will. »Das ist der Mann, der mich hergeschafft hat!«
Nese hörte die Worte und lachte kichernd. »Ja, ich bin gekommen. Ich will doch sehen, wie ihr zu Tode kommt.« Wieder lachte er, und auf seiner Stirn glühte es dunkelrot auf.
Das Auge!
Plötzlich war von dem Gesicht nichts mehr zu sehen. Es wurde nur noch von dem Auge beherrscht, mit dem der Wachtmeister in die Tiefe starrte.
Das Mädchen schrie auf und klammerte sich ängstlich an seinem Freund fest, während Will Mallmann reagierte, die Köpfe der beiden packte und sie nach unten drückte.
»Seht nicht hin!« befahl er. »Ihr dürft nicht in das verdammte Auge schauen!«
Nese lachte wieder. »Das nützt euch nichts. Ihr seid sowieso verloren. Wenn der Zyklop aus der Hölle kommt, gibt es kein Entrinnen mehr. Nicht für euch!«
Nach diesen Worten schmetterte er die Luke wieder zu.
»Die Gefahr ist gebannt«, sagte der Kommissar, »aber wer, zum Henker, ist der Zyklop aus der Hölle? Wißt ihr das?« Er schaute die beiden jungen Leute fragend an.
Sie schüttelten die Köpfe. Ratlosigkeit zeichnete sich auf ihren Gesichtern ab.
Über ihnen wurde der Riegel wieder vor die Luke geschoben.
Damit war die Chance vorbei, die sich Will Mallmann ausgerechnet hatte. Der Kommissar war davon ausgegangen, auf die Schultern des Jungen zu steigen und die Luke hochzudrücken, doch mit dem Riegelverschluß konnte er seine Hoffnungen begraben.
Will schaute sich um. Was er sah, war nicht gerade ermutigend.
Es brannten zwar Kerzen, die den Keller unter dem Haus erhellten, aber es gab keinen zweiten Fluchtweg.
Die Wände waren feucht, kein Wunder in dieser Gegend. An einigen rann sogar Wasser herab und sammelte sich auf dem Boden zu einer dicken Pfütze. An einer Stelle wurde die Decke durch zwei dicke Holzstempel abgestützt, ähnliche Dinger, wie man sie früher in den Bergwerken verwendet hatte. Auch sie zeigten bereits Risse und die ersten Anzeichen von Fäulnis.
Der Mittelpunkt des unterirdischen Verlieses war jedoch ein kreisrunder Mühlstein, der irgendwie an einen Altar erinnerte. Er stand auf einem kleinen Sockel und war an den Rändern sorgfältig abgeschliffen. Das Licht der brennenden Kerzen fiel auf die dunkle Steinplatte, die mit fingerhohem Staub bedeckt war.
Will Mallmann interessierte die Platte besonders. Er trat näher und blies den Staub zur Seite.
Ein paar Linien, in den Stein eingeritzt, kamen zum Vorschein.
Mallmann nahm jetzt seine Hand und putzte einen Teil der runden Platte blank.
Aus den Linien formte sich eine Figur. Eine Figur, die jeder schon einmal gesehen hatte. Auf irgendeinem Bild oder einer Zeichnung.
Es war der Teufel!
Seine Fratze nahm die gesamte Fläche der Platte ein. Dieser dreieckige Ziegenbockschädel mit den beiden Hörnern auf der breiten Stirn. Hinzu kamen das gebleckte Gebiß, die langen, stiftartigen Zähne und das böse Grinsen.
Ja, so wurde der Höllenfürst seit altersher gezeichnet, und Will Mallmann hatte nun keine Zweifel mehr, daß der Teufel in diesem Haus eine große Rolle spielte.
Die beiden jungen Leute traten neben ihn und schauten sich ebenfalls die Platte an.
»Das ist ja der Schädel des Teufels«, flüsterte das Mädchen.
Will nickte nur. Dabei schaute er auf Manfred Riegel, der sich gebückt hatte und unter den Rand der Steinplatte
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