0129 - Der Zyklop aus der Hölle
die Tür auf, die erbärmlich in den Angeln quietschte, und bedeutete mir, einen Augenblick zu warten.
»Ich werde Licht machen.«
Er verschwand im Haus. Die Tür ließ er zur Hälfte offen. Ich sah eine flackernde Streichholzflamme und schaute dann zu, wie der Nebel langsam immer höher stieg.
Jetzt hatte er schon mein Gesicht erreicht. Obwohl ich dicht vor der Hütte stand, begannen deren Konturen zu verschwimmen.
»Kommen Sie!«
Ich betrat das Haus und stolperte erst einmal über eine Holzstufe, bevor ich in der winzigen Diele stand.
Sofort fiel mir der muffige Geruch auf. Die letzten drei Jahre hatte hier jemand vergessen zu lüften. Selten habe ich in einem Haus solch einen feuchtmuffigen Geruch erlebt, höchstens in irgendwelchen alten Kellern.
Es brannten zwei Petroleumfunzeln, die den Flur einigermaßen erhellten und auch einen Spiegel aus der Dunkelheit rissen. Dem Spiegel gegenüber befand sich eine Tür, die Karl Merkens jetzt ansteuerte. Er blieb stehen, bevor er das Zimmer betrat.
»Warten Sie noch einen Moment, ich lege Ihnen nur eine Decke heraus.«
Ich nickte.
Merkens verschwand.
Auf die Tochter war ich gespannt, doch ich hörte und sah sie nicht. Wer es hier aushielt, konnte meiner Ansicht nach nicht alle Tassen im Schrank haben.
Ruhig war es nicht. Überall knisterte es im Holz. Das Haus lebte.
Merkens kam zurück. Er trug eine Kerze, die er auf einen Teller gestellt hatte.
»Ich habe Ihnen Licht gemacht.« Die Tür hatte er offengelassen.
Ich bedankte mich durch ein Kopfnicken, ging an ihm vorbei und betrat das Zimmer.
Es war winzig.
Zwei Schritte höchstens brachten mich an die gegenüberliegende Wand. Zwei Kerzen brannten. Sie standen auf einer alten Kommode, in der die Holzwürmer sicherlich wahre Orgien feierten.
Genau einen Schritt kam ich weit, als ich hinter mir das verräterische Pfeifen hörte.
Ich wollte mich noch herumdrehen, aber es war schon zu spät.
Etwas traf mit ungeheurer Wucht meinen Nacken, und einen Atemzug später raste der Boden auf mich zu.
Du Idiot, dachte ich. Und dann hatte ich erst einmal Sendepause…
***
Weder Will Mallmann noch Manfred Riegel waren schnell genug, um das Mädchen aufzufangen. Alceste verlor den Halt und fiel schwer zu Boden.
Dicht neben der grauenhaften Gestalt blieb sie liegen.
Manfred Riegel war näher bei ihr. Er ging neben seiner Freundin in die Knie, streckte die gefesselten Hände aus und hob Alcestes Kopf an.
»Sie ist bewußtlos.«
Will Mallmann nickte. »Das ist vielleicht auch besser so.«
Manfred blieb in seiner Haltung hocken. »Was hat sie wohl gemeint, als sie Mutter rief?«
Mallmann lächelte schmal. »Was wohl?«
Die Augen des jungen Mannes wurden groß. »Meinen Sie, daß diese Gestalt hier…?«
»Ja, das meine ich. Es ist ihre Mutter.«
»O Gott! In was sind wir da hineingeraten«, flüsterte der Biologiestudent aus Bremen.
Da hatte er verdammt recht, aber Will Mallmann wollte das nicht zugeben, der Junge sollte seinen Mut behalten. »Kümmern Sie sich um Ihre Freundin«, sagte der Kommissar und ging neben der Leiche in die Knie.
Ihn schauderte, als er in das Gesicht blickte. Es war wirklich eine Sinfonie des Schreckens. Jemand mußte die Reste der Haut und auch die hervorstehenden Knochen mit irgendeinem konservierenden Öl eingerieben haben, denn so glänzten Schädel, Hände und auch Füße.
Die Frau trug noch ein langes blaues Kleid, auf dem dick der Staub lag und das die ersten Reste von Zerfall aufwies. Leben war nicht mehr in ihr.
Auch kein untotes.
Letzteres war wichtig, denn wenn man ihnen eine Zombie in das Verlies geworfen hatte, war alles aus. Sie hatten keine Waffen, mit denen sie sich gegen einen Untoten hätten verteidigen können.
Will überwand sich selbst, faßte die Tote unter und schleifte sie an der runden Steinplatte vorbei in den Hintergrund des Verlieses.
Dort wurde sie nicht sofort gesehen.
Manfred Riegel war damit beschäftigt, seine Freundin aus dem Reich der Ohnmacht zu holen. Er schlug ihr leicht ins Gesicht, tätschelte die Wangen und rief immer wieder ihren Namen.
Er hatte Erfolg.
Plötzlich schlug das Mädchen seine Augen auf und fuhr mit einem leisen Ruf des Schreckens in die Höhe.
Manfred umfaßte sofort ihre Schultern und drückte sie wieder zurück. »Du mußt liegenbleiben, Alceste.«
»Nein.« Sie widerstand dem Druck und schüttelte den Kopf. »Ich kann es nicht.«
»Lassen Sie sie«, sagte der Kommissar.
Manfred nickte und stand auf, wobei er
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