0129 - Der Zyklop aus der Hölle
Alceste die Hand reichte, um sie hochzuziehen.
Alceste kam auf die Füße.
Sie verzog das Gesicht, als sie die Handschellen sah. Die Ringe hatten bei allen tiefe Spuren in der Haut hinterlassen.
»Wo ist sie?« fragte Alceste und schaute sich furchtsam um.
Rasch stellte sich der Kommissar so hin, daß sie ihre Mutter nicht sehen konnte.
»Sie ist tot«, sagte Manfred, drehte Alcestes Kopf und streichelte ihre Wangen. »Sie ist tot, und sie bleibt tot.«
Das Mädchen nickte unter Tränen.
»Was ist mit Ihrer Mutter geschehen?« wollte der Kommissar wissen, dessen berufliche Neugierde verständlicherweise groß war.
»Ich weiß es nicht.«
»Aber Sie müssen sie doch gesehen haben!«
»Nein!« Alceste schrie gequält auf, worauf Manfred den Kommissar vorwurfsvoll anschaute. »Ich habe sie erst heute gesehen, denn ich konnte sie nicht sehen. Mein Vater hat sie vor mir versteckt, so glauben Sie mir doch.«
»Das bestreitet auch niemand«, erwiderte der Kommissar. »Nur – wann ist sie umgekommen?«
»Schon vor langer Zeit. Vater hat mir immer gesagt, sie wäre im Moor versunken. Dann, als er mal getrunken hatte, meinte er, daß sie eine Hexe, gewesen sei.«
»Hat er sie umgebracht?« fragte Manfred.
»Vielleicht.«
Will wollte noch einmal auf die Hexe zu sprechen kommen. »Ist er näher darauf eingegangen, was er mit dem Wort Hexe meinte?«
»Nein.«
»Denken Sie nach.«
»Wirklich nicht.«
»Hat sich Ihre Mutter vielleicht seltsam benommen?« forschte der Kommissar.
»Wie meinen Sie das?«
»War sie anders als normale Frauen? Hat sie sich mit okkulten Dingen beschäftigt?«
»Nicht, daß ich wüßte. Sie war sehr mit der Natur verbunden, ist oft ins Moor gegangen.«
»Haben Sie sie begleitet?«
»Nie, ich hatte Angst. Außerdem wollte sie es auch nicht.«
Manfred Riegel fragte den Kommissar: »Was schließen Sie daraus, Herr Mallmann?«
Der Kommissar zögerte mit der Antwort. Er wollte die beiden jungen Leute nicht erschrecken und ihnen irgend etwas von Hexen erzählen. Will wußte, daß es solche gab. Er selbst hatte sie kennengelernt und dachte nur mit Schaudern daran zurück. Daß sich Frau Merkens mit der Natur beschäftigte, war ein weiteres Indiz, denn es gab Hexen, die sehr naturverbunden waren und mit Erdgeistern sowie zahlreichen anderen Wesen in Verbindung standen.
Manfred ließ nicht locker. »Warum sagen Sie nichts, Herr Kommissar?«
»Ich kann einfach nicht daran glauben.«
»Ich auch nicht.«
»Mehr wissen Sie nicht?« wandte sich der Kommissar noch einmal an das Mädchen.
»Nein.«
»Sie haben ein seltsames Familienleben gehabt.«
Alceste nickte. »Da sagen Sie was. Aber irgendeine schlimme Sache muß mein Vater auf dem Gewissen haben, eine andere Erklärung finde ich einfach nicht.«
Das war gut möglich. Nur wie kam dieser Zyklop ins Spiel? Irgendwie paßte er nicht hinein, fand Mallmann.
Er brauchte sich auch keine weiteren Gedanken darüber zu machen, denn von oben hörten sie abermals Geräusche.
Es waren schreckliche Laute. Stöhnen, Wimmern, Schmatzen und Heulen.
Töne, die das Mädchen noch nie in seinem Leben gehört hatte.
Ängstlich klammerte sich Alceste an ihrem Freund fest.
»Himmel, was ist das?« flüsterte sie.
Manfred hob die Schultern und schaute zu Will Mallmann hin, der auch keine Erklärung wußte.
Dann wurde es still.
Aber nicht lange, denn zwei Atemzüge später knirschte der Riegel in der Verankerung.
Plötzlich flog die Klappe hoch.
Die drei starrten nach oben.
Und alle sahen ihn.
Der Zyklop aus der Hölle war da!
***
Der Hieb hatte mich zwar voll getroffen, aber nicht völlig ausschalten können. Ich war nur paralysiert und bekam mit, was in meiner unmittelbaren Umgebung geschah.
Ich hörte Schritte. Sie dröhnten nahezu in meinen Ohren und verstummten erst dicht neben mir. Eine harte Hand faßte nach meiner Schulter und drehte mich auf den Rücken.
Ich ließ alles mit mir geschehen, auch als die Hand über meinen Körper tastete, die Beretta aus der Halfter zog und sie zu Boden schleuderte. Begleitet wurde dies von einem triumphierenden Lachen.
Im nächsten Augenblick spürte ich etwas Kaltes unter meinem Kinn. Es war eine Gewehrmündung.
»Schau mich an!« vernahm ich eine bekannte Stimme.
Bewegen konnte ich mich zwar nicht, aber ich hob die Augendeckel und war nicht einmal überrascht, Wachtmeister Nese vor mir stehen zu sehen.
»Na, wie gefällt dir das?« fragte er.
Ich konnte nicht antworten, weil es mir nicht gelang,
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