013 - Der Mann, der alles wußte
Tisch, dessen Mitte beweglich war und einen Aufzug darstellte, der von der Küche aus bedient wurde. Das Essen, das der Koch-Chauffeur zubereitete, kam auf diese Weise sofort auf den Tisch.
Mr. Holland hatte gespeist. Der Chauffeur saß in seinem Zimmer über der Garage, während sein Herr noch eine Tasse Kaffee trank, die er sich selbst auf einem elektrischen Kocher gebraut hatte.
Dann las Mr. Holland, bis die Uhr auf dem Kamin Mitternacht schlug, legte ein Zeichen in sein Buch und erhob sich.
Er schob ein Stück der Wandvertäfelung zurück, so daß ein Safe sichtbar wurde. Nachdem er ihn geöffnet hatte, holte er aus dem Innern einen Kasten aus Zedernholz hervor, dem er drei verschiedene Scheckbücher und ein Paar sehr dünne Handschuhe entnahm. Diese brauchte er, um Fingerabdrücke zu vermeiden.
Sorgfältig zog er sie an, riß dann aus jedem Heft ein Formular und füllte es aus. Er schrieb langsam und mit großer Vorsicht. Nur wenig Fälscher können eine Schrift aus dem Gedächtnis nachahmen, aber Mr. Holland besaß diese ungewöhnliche Gabe. Von dem Datum bis zur Unterschrift sahen die Buchstaben aus, als ob John Minute sie geschrieben hätte. Nicht einmal der Millionär hätte diese Fälschung entdecken können.
Mr. Holland betrachtete seine Arbeit vollkommen kaltblütig, Genau wie John Minute, der niemals Löschpapier benutzte, wartete er, bis die Tinte getrocknet war, faltete die Schecks und steckte sie in die Tasche. Dann zog er die Handschuhe aus und verwahrte sie mit den Scheckbüchern wieder im Safe. Nachdem er das Paneel vorgeschoben hatte, ging er zu Bett.
Früh am nächsten Morgen klingelte er seinem Diener.
»Fahren Sie mit dem Wagen zur Stadt. Ich nehme den Zug. An der U-Bahn-Station Holland Park warten Sie um zwei auf mich. Ich habe einen kleinen Auftrag für Sie, bei dem Sie fünfhundert Pfund verdienen können.«
»Sehr wohl«, entgegnete Feltham halb bestürzt und halb verwundert.
An dem Tag, an dem Mr. Holland nach London zurückkehrte, machte Frank Merril mittags einen Besuch in Mays Wohnung.
»Komm doch bitte herein und trink eine Tasse Tee mit mir«, lud sie ihn ein.
»Du hast dich hier allerdings glänzend eingerichtet«, meinte er und sah sich in dem hübsch möblierten Wohnzimmer um. »Eine solche Ausstattung kann ich mir in meinem Heim in Bayswater nicht leisten.«
»Ich kenne deine Wohnung dort nicht«, erwiderte sie lachend, »aber ich möchte wirklich wissen, warum du ausgerechnet dort wohnst.«
Er trank den Tee und zwinkerte ihr mit den Augen zu.
»Rate mal, welches Einkommen der künftige Erbe der Minuteschen Millionen hat?« fragte er ironisch. »Aber ich will dir die Mühe ersparen. Sieben Pfund bekomme ich wöchentlich von der Bank, und eine andere Einnahmequelle habe ich nicht.«
»Aber gibt dir der Onkel denn nicht -?«
»Nein, keinen Schilling«, entgegnete Frank kurz.
»Aber -«
»Ich weiß, was du sagen willst. Er ist dir gegenüber sehr großzügig. Mich behandelt er gerecht, und zwischen Großzügigkeit und Gerechtigkeit besteht eben ein großer Unterschied. Jasper Cole zahlt er tausend Pfund im Jahr. Ist das nicht merkwürdig?«
Sie neigte sich vor und legte die Hand auf seinen Arm.
»Armer Junge«, sagte sie teilnahmsvoll. »Das macht es für dich nicht leichter - ich meine, daß er Jasper zuviel gibt.«
»Übrigens sah ich Jasper heute morgen aus dem WaterlooBahnhof herauskommen. Er machte einen noch geheimnisvolleren Eindruck als sonst. Ich möchte nur wissen, was für Geschäfte er eigentlich treibt!«
Sie schüttelte den Kopf und erhob sich.
»Von Jasper weißlich ebensowenig wie du.« Mit einem nachdenklichen Blick schaute sie ihn an. »Frank, ich bin in großer Unruhe deinet- und Jaspers wegen. Es bedrückt mich, daß Onkel John ganz anders über ihn denkt als du. Ihr spielt beide keine gerade heldenhafte Rolle, weil ihr von ihm abhängig seid, und ich stehe zwischen euch. Es ist schrecklich für mich!«
Frank sah sie mit einem sonderbaren Lächeln an.
»Warum sagst du das?«
»Am liebsten möchte ich dir alles sagen, aber das wäre nicht fair.«
»Wem gegenüber?« fragte er schnell.
»Dir, Onkel - euch allen drei gegenüber.«
Er trat einen Schritt auf sie zu.
»Hast du soviel für Jasper übrig?«
»Ich fühle mich zu niemand besonders hingezogen«, erklärte sie offen. »Mach doch nicht so ein düsteres Gesicht, Frank. Du magst mich für unentschlossen halten, aber du kannst nicht erwarten, daß ich mich jetzt schon für immer
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