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013 - Der Mann, der alles wußte

013 - Der Mann, der alles wußte

Titel: 013 - Der Mann, der alles wußte Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Edgar Wallace
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bewaffnet war, aber er hatte überhaupt nicht den Versuch gemacht, seine Pistole zu ziehen. Und das hätte er sicher getan, wenn ihm plötzlich ein Fremder mit einer Waffe entgegengetreten wäre.
    Ich habe vorerst nicht die Absicht, die merkwürdigen Beziehungen zwischen Merril und diesem geheimnisvollen Mr. Rex Holland zu erörtern, aber Merril ist der einzige, der ihn gesehen und eine allerdings etwas undeutliche und widerspruchsvolle Beschreibung von ihm gegeben hat. Merril sagt, der Mann habe einen Spitzbart getragen. Die Frau, die ihn in Uckfield bediente, schildert ihn als einen jungen Mann mit dunklem Schnurrbart, aber sonst glattrasiert. Nun konnte er sich natürlich den Bart abrasieren lassen, aber wir werden Zeugen aufrufen, die diesen Mann gesehen haben, wie er mit dem ermordeten Chauffeur zusammen im Auto fuhr. Damals trug er einen kurzen schwarzen Schnurrbart und keinen Spitzbart. Es ist daher höchst wahrscheinlich, daß Merril nicht die Wahrheit sagt. Ein unbekannter Herr mit einem großen Bankdepot wird sicher nicht ohne Grund dauernd sein Aussehen ändern. Wenn er ein Verbrecher war, wie wir bestimmt wissen, hatte er sowieso alle Ursache, im eigensten Interesse möglichst wenig Verdacht und wenig Aufsehen zu erregen.«
    Die Rede des Staatsanwalts nahm fast den ganzen Vormittag in Anspruch. Er sprach alle Einzelheiten genau durch und ging besonders auf seine Theorie ein, wie sich die beiden Komplicen im Garten getroffen hätten und wie der Mord verübt worden sei.
    Saul Arthur Mann, der neben Franks Rechtsanwalt saß, lächelte und strich sich sein Kinn.
    »Ich habe selten eine so glänzende Rekonstruktion eines Verbrechens gehört. Nur entspricht sie leider nicht den Tatsachen«, meinte er.
    Als erklärende Theorie war die Rede des Staatsanwalts zweifellos phänomenal, aber niemand wird auf Grund bloßer Hypothesen zum Tode verurteilt, so genial diese auch ausgedacht sein mögen.
    Wahrscheinlich bewunderte keiner der Anwesenden die Fähigkeiten des Staatsanwalts so sehr wie der Angeklagte selbst. In der Mittagspause sprach er mit seinem Rechtsanwalt und Mr. Mann in einem der hinteren Räume, in denen solche Unterredungen stattzufinden pflegen.
    »Ich bin geradezu fasziniert von seiner Rede«, sagte Frank, als er eine Tasse Tee trank, die man ihm brachte. »Ich war beinahe selbst überzeugt, daß ich das Verbrechen begangen haben müßte. Ist die Sache aber nicht sehr gefährlich für mich? Werden sich die Geschworenen nicht ganz von dieser Darstellung gefangennehmen lassen?« fragte er dann ein wenig besorgt.
    Der Rechtsanwalt schüttelte den Kopf.
    »Unbewiesene Theorien machen keinen großen Eindruck auf die Geschworenen. Die ganze Geschichte ist so weit hergeholt und so unwahrscheinlich, daß die Sache wenig Bedeutung hat, wenn dem Staatsanwalt nicht der strikte Beweis gelingt. Hat Sie an dem fraglichen Abend eigentlich jemand auf dem Bahnhof gesehen?«
    Frank schaute ihn resigniert an.
    »Vermutlich haben mich Hunderte von Leuten gesehen, aber ich glaube kaum, daß sich einer von ihnen darauf besinnen kann.«
    »Haben Sie jemand im Zug getroffen?«
    »Nein«, entgegnete Merril, nachdem er einen Augenblick nachgedacht hatte. »Es saßen sechs Leute in dem Abteil, bis wir nach Lewes kamen. Aber das habe ich Ihnen doch schon erzählt, und es ist Ihnen nicht gelungen, auch nur einen einzigen von ihnen ausfindig zu machen.«
    »Es ist sehr schwer, solche Leute wiederzufinden«, erwiderte der Rechtsanwalt. »Denken Sie doch, mit wieviel Reisenden man auf der Bahn zusammenkommt, ohne daß man sich später erinnern kann, wie sie aussahen oder wie sie gekleidet waren. Ja, wenn Sie eine junge Dame gewesen und mit Damen gereist wären, würde jede Ihrer fünf Mitreisenden sich genau darauf besinnen, wie Ihre Kleider saßen oder wie Ihnen Ihr Hut stand!«
    Frank lachte.
    »Ich muß zugeben, daß es in gewisser Weise ein Nachteil ist, ein Mann zu sein. Was halten Sie von der Sache?«
    »Wir haben bis jetzt noch keine Zeugen gehört und können deshalb kein Urteil abgeben. Dieser Ansicht sind Sie doch auch, Mr. Mann?« fragte der Rechtsanwalt respektvoll, denn der kleine alte Herr war in juristischen Kreisen sehr angesehen.
    »Nein, bis jetzt kann man noch gar nicht übersehen, ob die Staatsanwaltschaft mit ihren Zeugen Erfolg haben wird.«
    Frank erinnerte sich an seine erste Begegnung mit Mr. Mann, der damals in einem schlechtsitzenden Anzug neben ihm auf der Straße gestanden und den Zylinder ins Genick

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