013 - Der Mann, der alles wußte
geschoben hatte.
»Sie werden am Ende doch noch versuchen, mir den Tod des Bedienten in die Schuhe zu schieben, den wir am Gray Square sahen!«
Mr. Mann nickte.
»In der Anklageschrift ist das zwar nicht erwähnt, ebensowenig wie die Ermordung des Chauffeurs von Mr. Rex Holland. Der Prozeß dreht sich ja nur um die augenblickliche Anklage, die beiden anderen Fälle kommen erst in zweiter Linie in Betracht.«
Frank hatte die Hände auf den Rücken gelegt und ging nachdenklich im Zimmer auf und ab.
»Ich möchte nur wissen, wer dieser Rex Holland ist«, sagte er halb zu sich selbst.
»Glauben Sie noch immer an die Theorie, von der Sie mir erzählten?« fragte der Rechtsanwalt.
Frank nickte.
»Und wollen Sie auch heute noch nicht darüber sprechen?«
»Nein, besser noch nicht«, erwiderte Frank ernst.
Als er in den Gerichtssaal zurückkehrte, sah er sich nach May um, aber sie befand sich nicht mehr unter den Zuhörern. Der Rest der Verhandlung langweilte ihn.
Am zwölften Tag des Prozesses wurde Jasper Cole als Zeuge vernommen. Er war schwarz gekleidet und sah noch bleicher aus als sonst, aber er sprach die Eidesformel mit fester Stimme und beantwortete ohne das geringste Zögern alle Fragen.
Die Geschichte von Franks Streit mit seinem Onkel, von den gefälschten Schecks, von den Erlebnissen Jasper Coles am Abend des Verbrechens füllten den größten Teil des Vormittags. Erst am Nachmittag erhob sich der Verteidiger, einer der glänzendsten Anwälte Londons, und begann das Kreuzverhör.
»Hatten Sie irgendeinen Verdacht, daß Mr. Minute beraubt worden sein könnte?«
»Ja.«
»Haben Sie Ihren Verdacht Mr. Minute mitgeteilt?«
Jasper zögerte einen Augenblick.
»Nein«, entgegnete er schließlich.
»Warum warten Sie so lange mit der Antwort?« fragte der Verteidiger scharf.
»Weil ich Mr. Minute meinen Verdacht nicht direkt mitgeteilt habe. Ich machte nur eine Andeutung, daß es gut wäre, die Bücher der Bank einmal von einem Unbeteiligten nachprüfen zu lassen.«
»Sie hielten also tatsächlich die Eintragungen in den Büchern für falsch, wenigstens zum Teil?«
»Ja.«
»Glauben Sie nicht, daß es unter diesen Umständen sehr unklug von Ihnen war, die Bücher selbst anzurühren?«
»Wann hätte ich sie denn angerührt?« fragte Jasper.
»Eines Abends kamen Sie zur Bank und blieben dort allein in den Geschäftsräumen, um die Bücher im Auftrag Mr. Minutes nachzuprüfen. An jenem Abend haben Sie mindestens drei der Hauptbücher, in denen die Fälschungen entdeckt wurden, in der Hand gehabt.«
»Das stimmt allerdings«, erwiderte Jasper, nachdem er einen Augenblick überlegt hatte. »Aber mein Verdacht war allgemeiner Art und richtete sich nicht auf bestimmte Geschäftsbücher.«
»Hielten Sie dieses Vorgehen denn nicht für gefährlich?«
»Es mag allerdings nicht ratsam gewesen sein. Hätte ich damals gewußt, wie sich die Dinge entwickeln würden, so hätte ich die Bücher bestimmt nicht angerührt.«
»Sie geben doch zu, daß Sie an dem Abend von sieben bis neun und von halb zehn bis halb zwölf ganz allein in der Bank waren?«
»Ja.«
»Während dieser Zeit hätten Sie doch, wenn Sie gewollt hätten, die Fälschungen vornehmen können?«
»Ich gebe zu, daß ich genügend Zeit dazu gehabt hätte.«
»Sind Sie ein Freund Frank Merrils?«
»Ich bin zumindest nicht eng mit ihm befreundet.«
»Ist er Ihnen denn sympathisch?« »Ich kann nicht sagen, daß ich ihn sehr schätze.«
»Er war Ihr Rivale?«
»In welcher Beziehung?«
Der Verteidiger zuckte die Schultern.
»Nun, er verehrt und liebt doch Miss Nuttall.«
»Ja.«
»Und sie erwiderte seine Liebe.«
»Ja.«
»Haben Sie sich denn nicht auch bemüht, die Gunst dieser Dame zu erringen?«
Jasper Cole sah zu May hinüber, die ihr Gesicht abwandte. Ihre Wangen brannten, und sie wäre am liebsten in die Erde versunken.
»Wenn Sie damit meinen, daß ich Miss Nuttall liebe, so gebe ich das unumwunden zu«, entgegnete der Zeuge mit ruhiger und fester Stimme.
»Sie wurden bei Ihrer Werbung von Mr. Minute unterstützt?«
»Ich habe ihn nie um seine Unterstützung gebeten.«
»Er beeinflußte Miss Nuttall also ohne Ihr Wissen?«
»Ohne mein Vorwissen«, verbesserte ihn Jasper. »Er sagte mir später, daß er mit Miss Nuttall gesprochen habe, und brachte mich dadurch in große Verlegenheit.«
»Soviel ich weiß, haben Sie merkwürdige Gewohnheiten, Mr. Cole?«
»Das kann man wohl von den meisten Leuten behaupten«, erwiderte der
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