0131 - Der elektrische Stuhl wartet
Gestalten auf der Straße, die Evans im ersten Augenblick für einen Polizeiposten hielt.
»Es ist aus«, flüsterte er. Sein Widerstandswille erlahmte schlagartig. Er bremste.
Dann entpuppten sich die vermeintlichen Polizisten als ein alter Neger und seine Frau. Evans verstand nicht ganz, wie sie zu dieser Stunde auf die Straße kamen. Anscheinend gehörten sie irgendeiner Sekte an und waren in irgendeinem Dorf der Umgebung auf einem Betabend gewesen.
Als sie sahen, daß Weiße in dem Wagen saßen, wollten sie sich zurückziehen. Evans winkte sie heran.
»Wo wollt ihr hin?«
»Atlanta.«
»Okay, könnt ihr mich dort unterbringen?«
»In einem Hotöl?«
»Nein, kein Hotel. Irgendwo, wo mich niemand sieht.«
»Wir kennen keinen weißen Mann.«
Es dauerte einige Zeit, bis Evans ihnen klargemacht hatte, daß er bereit wäre, auch bei Farbigen zu wohnen, und daß er dafür bezahlen wollte.
Sie fuhren in die Stadt. Evans kam praktisch mit dem letzten Tropfen Benzin dort an. Er stellte den Wagen in einer menschenleeren Gegend ab. Sie folgten den beiden Alten in diese Hütte, in der sie nun schon seit drei Tagen hausten.
Evans hatte beabsichtigt, sich nur einen Tag auszuruhen, in der nächsten Nacht wieder einen Wagen zu stehlen und weiterzufahren. Die Maßnahmen der Polizei zerschlugen diesen Plan.
»Wir müssen bleiben, bis die Sperren aufgehoben worden sind«, setzte er Ann auseinander. »Es kann nicht lange dauern.«
»Sie werden uns hier finden«, antwortete Ann müde.
»Nein, der Alte hält den Mund. Er ist zu scharf auf die Dollar, um zu reden. Wir haben noch eine Chance, Ann. Glaube mir!«
Sie glaubte ihm nicht, aber sie sagte es nicht, um ihn nicht noch mehr zu entmutigen.
Evans Stimmung sank noch mehr, als er aus den Zeitungen ersah, daß die Polizei ihn mit solcher Sicherheit in Atlanta vermutete, daß die Sperren nicht aufgehoben wurden. Dieser Abend brachte die Krise.
Als die Dämmerung hereinbrach, kam die Negerfrau und brachte das Abendbrot. Sie stellte es auf den Nachttisch und wünschte: »Guten Appetit!«
Nach einer Stunde kam sie, um das Geschirr abzuholen und sah enttäuscht, daß der Mann und die Frau nichts berührt hatten.
»Sie müssen essen«, sagte sie freundlich und besorgt zu Ann.
»Ich kann nicht«, antwortete Ann mühsam.
»Aber Sie müssen. Es ist notwendig, um stark zu bleiben. Wenn Sie nicht..«
»Bitte«, unterbrach Ann gequält. »Ich kann wirklich nicht.«
Die Frau zog sich zurück. Wenig später kam ihr Mann, brachte die Zeitung und kassierte seine vier Dollar.
Evans studierte die Zeitung. Die Nachrichten über ihn und die Polizeimaßnahmen waren auf die zweite Seite gerückt, aber die Überschrift schon zerbrach seine Hoffnungen.
»Polizeiüberwachung der Straßen wird fortgesetzt. Der Mörder Evans immer noch in Atlanta?«
Er faltete die Zeitung zusammen. »Ann«, sagte er. »Ich werde nur noch einen Tag hierbleiben. Morgen nacht werde ich versuchen, durchzukommen.« Sie antwortete nicht, sondern sah ihn nur an.
»Ich werde allein gehen«, fuhr er fort. »Ich weiß, daß ich einen Fehler gemacht habe. Ich hätte dich nie in meine Angelegenheiten hineinziehen dürfen. Es wäre besser gewesen, du wärest gleich in New York zur Polizei gegangen und hättest dich unter ihren Schutz gestellt. Wir werden das jetzt nachholen. Übermorgen früh, wenn ich zehn Stunden unterwegs bin, gehst du zur Polizei. Sie werden dir nichts tun. Du kannst sagen, ich hätte dich gezwungen, mit mir zu gehen. Es ist ja auch die Wahrheit. Ich habe dich wirklich gezwungen, wenn man es genau nehmen will.«
»Du wirst nicht durchkommen«, sagte sie.
»Oh, ich hoffe, daß es leichter sein wird, wenn ich allein gehe.« Er bemühte sich, es leichthin zu sagen, aber es gelang ihm nicht recht. »Die Cops suchen dich und mich. Nur ein Mann wird ihnen nicht so schnell auffallen wie ein Mann und eine Frau zusammen.«
Ann erhob keinen Widerspruch mehr. Vielleicht war ihre Liebe zu Evans nicht so groß, wie sie selbst manchmal geglaubt hatte. Sie fühlte nur eine ungeheuere Erleichterung, wenn sie dachte, daß sie in vierundzwanzig Stunden in ein normales bürgerliches Leben zurückkehren konnte. Sie sehnte sich nach banalen Dingen: einem gut eingerichtetem Zimmer, einem Bad, einem harmlosen kleinen Gespräch mit Kolleginnen.
Vierundzwanzig Stunden später war es soweit. Evans packte nur einige notwendige Dinge in eine Aktentasche. Er teilte das Geld, das er noch besaß, in zwei Hälften und
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