0132 - Der Schwarze Graf
der Lampe schnell auf den steinigen Boden, so daß er im reflektierten Licht nur noch schwach erkennbar war; eine graue, reglose Gestalt.
Mein Gott! Lancone stolperte entsetzt zurück. Er stieß ein heiseres Krächzen aus.
Das war ja gar nicht Louis Walther!
»Was ist denn los, Marco?«
»Ihr seid mir ja zwei schöne Carabinieri!« Das irre Gelächter Piecollos hallte schauerlich an den Wänden wider. »Diese Trottel haben sogar Angst voreinander!«
Marco Lancone stieß einen ärgerlichen Fluch aus, als er seinen Irrtum bemerkte.
Er mußte seine schwachen Nerven besser unter Kontrolle bekommen.
»Du wirst jetzt die nach links vom Hauptgang abzweigenden Seitenwege und -räume nach verdächtigen Spuren absuchen - und zwar gründlich!« befahl er Walther ein wenig barscher als beabsichtigt. Lancone war der Dienstältere der beiden und deshalb der Leiter dieses Unternehmens.
»Ich werde zusammen mit Piecollo die andere Seite übernehmen. Achte auf Feuerstellen, Lebensmittelreste, auf sämtliche Dinge, die uns irgendwelche Hinweise geben können. Du weißt ja Bescheid. Achte aber besonders darauf, daß wir auf gleicher Höhe, zumindest aber auf Rufweite bleiben. Wer konnte denn ahnen, daß man sich hier unten regelrecht verlaufen kann? Klar?«
»In Ordnung!« kam die knappe Antwort.
Louis Walther verschwand wieder in demselben dunklen Gang, aus dem er eben so unerwartet aufgetaucht war.
Und dieser Gang schien, wie alle anderen, nirgendwo zu enden. Doch für den jungen Carabinieri sollt er ein Ende nehmen. Ein schreckliches Ende…
***
»Schade, daß wir ausgerechnet heute so mieses Wetter haben.« Zamorra blickte verdrossen aus dem Fenster des Hubschraubers auf die trüben Wolkenfetzen, die schattenhaft vorbeihuschten. »Die Aussicht von hier oben muß sonst grandios sein, nicht?«
»Ja, da haben Sie recht, Professor. Wir haben leider Pech«, stimmte Victor Larousse ihm zu, ein erfahrener Pilot, der seit Jahren in dieser Gegend die Einsätze der Schweizer Bergrettungsgesellschaft flog.
»Bei schönem Wetter ist es wirklich herrlich hier oben. Man möchte gar nicht wieder runter an einem solchen Tag.«
»Aber heute ist doch sicher kein solcher Tag, oder?« flachste Nicole, die sich vom Schreck anscheinend blendend erholt hatte.
»Nein«, lachte Larousse, »heute ist kein solcher Tag.« Doch der Pilot wurde schnell wieder ernst. Er wandte Zamorra kurz sein braungebranntes Gesicht zu. »Ich möchte bloß wissen, wie Sie das eigentlich geschafft haben, Professor. Es ist unglaublich.«
»Was meinen Sie?«
»Na, die Sache mit der Lawine. Ich weiß, wie schnell solche Dinger runterkommen, denn ich habe es oft genug erlebt, das können Sie mir glauben. Es ist praktisch unmöglich… wie konnten Sie bloß so schnell reagieren? Haben Sie einen sechsten Sinn oder sowas ähnliches?«
»So ungefähr.« lachte Zamorra. »Naja, als Parapsychologe entwickelt man eben bestimmte Fähigkeiten…«
»Sie sind ein ungewöhnlicher Mann, Professor.«
»Ja, das ist er.« bestätigte ihm Nicole und warf ihrem Brötchengeber dabei einen Blick zu, in dem viel mehr lag, als Worte zu sagen vermochten.
»Und Sie haben bestimmt kein weiteres Fahrzeug vor oder hinter sich gehabt?«
»Da bin ich ganz sicher. Jedenfalls befand sich sonst niemand im unmittelbaren Gefahrenbereich der Lawine.«
»Gottlob!«
Der Pilot war sichtbar erleichtert darüber, daß die dramatischen Ereignisse weitaus glimpflicher abgelaufen waren, als er zunächst befürchtet hatte.
»Zu dieser Jahreszeit eine solche Lawine!« Larousse schüttelte verständnislos den Kopf. »Man könnte fast glauben, ein Teil des Gletschers sei weggerutscht. Das grenzt an ein Wunder. Ein böses Wunder allerdings!«
»Genau das war es auch«, bemerkte Zamorra nachdenklich, »ein böses Wunder…«
Nach einer guten Viertelstunde hatte der Helikopter seinen Stützpunkt erreicht, die Kleinstadt Monthey.
Sie verfügte in diesem Teil der Schweizer Alpen als einzige über einen passablen Flugplatz.
Hier waren auch die Flugzeuge der Bergwacht stationiert, modernste Dornier-Maschinen und eine Reihe anderer Modelle für verschiedene Verwendungszwecke.
Da sich Zamorra und Nicole keiner ärztlichen Behandlung unterziehen mußten, ging die Reise nach Südtirol praktisch unverzüglich weiter.
Nach betont herzlicher Verabschiedung von Larousse, der seinen Vorgesetzten eine beruhigende Meldung machen konnte, charterte Zamorra kurz entschlossen ein kleines Sportflugzeug, eine etwas
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