0132 - Der Schwarze Graf
seinen Körper.
Und dann glaubte Lancone, für einen kurzen Moment von irgendwoher aus der Dunkelheit einen erstickten, entsetzlichen Aufschrei zu hören.
»Mein Gott!« flüsterte er, »Piecollo, hast du das auch gehört? Was war das?«
»Ratten vielleicht«, erwiderte der Alte ungerührt, »hier wimmelt's von diesen Viechern. Du hast erbärmliche Angst, nicht?« Er stieß ein leises, höhnisches Gelächter aus.
Die Spannung ergriff Lancone wie ein Bann. Seine Pulsschläge steigerten ihr Tempo zusehends, sein Atem wurde kürzer und heftiger. Das Herz schlug ihm buchstäblich bis zum Hals.
»Komm, laß uns die Sache bloß so schnell wie möglich erledigen«, sagte er mit bebender Stimme zu seinem Begleiter, der sich eigenartig still und unauffällig verhielt.
Der Alte zuckte mit den Achseln. »Ich weiß aber auch nicht mehr weiter. Hier kenne selbst ich mich nicht aus. Nur noch ein paar Meter, und dann verschwinden wir.«
Vorsichtig traten die Männer einige Schritte nach vorn, als Lancone plötzlich auf der rechten Seite ein Raum auffiel, dessen Eingang ihm ungewöhnlich groß erschien. Im Licht der Taschenlampe wurde eine verrottete Holztür erkennbar, die nur noch durch die rostigen Eisenbeschläge zusammengehalten wurde.
Der Carabinieri wurde stutzig.
Er hatte den Eindruck, ein schwaches, kaum wahrnehmbares Leuchten zu erkennen, das durch die Ritzen der fauligen Bretter einen goldgrünen Schimmer in den Gang warf.
»Was ist hinter dieser Tür?« fragte er atemlos.
»Verdammt, das weiß ich doch nicht. Sieh doch nach!«
Nervös und überhastet öffnete Lancone die lederne Tasche, die seine Dienstwaffe enthielt. Er zog die Pistole hervor, entsicherte sie und hielt sie schußbereit vor seine Brust. Eng an die felsige Wand gepreßt schob er sich langsam auf den rätselhaften Eingang zu.
Mit einer blitzschnellen, gekonnten Bewegung sprang er vor und warf sich schwungvoll gegen das morsche Holz, das krachend auseinandersplitterte.
Er leuchtete den Raum aus, der tatsächlich von einem gespenstischen, goldgrün flimmernden Licht erfüllt war. »Himmel und Hölle!« Lancone stockte der Atem.
Er wurde mit dem Bild, das sich ihm so unerwartet bot, nicht fertig.
»Was hat das zu bedeuten? Das ist ja unglaublich…«
Verwirrt starrte Lancone auf die rätselhaften Geräte, die an verschiedenen Stellen herumstanden; in verstaubten Vitrinen befand sich ein Sammelsurium von buntschillernden Mineralien, undefinierbaren Flüssigkeiten, sonderbar geformten Gefäßen, Becken und Wannen.
Er sah auch Knochen. Sie schienen von irgendwelchen Tieren zu stammen.
Töpfe, Schmelztiegel und eigenartige Reagenzien, in denen sich noch die schwarzverbrannten Reste geheimnisvoller Experimente befanden, die vor Urzeiten hier stattgefunden hatten, standen auf der staubigen Marmorplatte eines schweren, reichverzierten Tisches in der Mitte dieser Hexenküche.
An den kahlen Wänden hingen diverse Instrumente - eine Art chirurgisches Besteck, Schöpfkellen verschiedener Form und Größe, Schläuche, Zangen und sonderbare Dinge, deren Verwendungszweck nicht erkennbar war.
In einer Ecke dieses unheimlichen Raumes, den wahrscheinlich seit Jahrhunderten kein Mensch mehr betreten hatte, befand sich eine umfangreiche Bibliothek dicker, goldverzierter Bände, die als Emblem zwei grotesk verschlungene Halbkreise trugen…
Ein mittelalterliches Alchimistenlabor!
Auch Francisco Piecollo war inzwischen eingetreten, aber der Alte war von der bedrückenden Umgebung offensichtlich kein bißchen überrascht.
Im Gegenteil - die düstere Atmosphäre schien ihm zu gefallen, denn sein ganzes Gesicht drückte Zufriedenheit und Zuversicht aus.
Marco Lancone konnte es deutlich erkennen.
Voller Entsetzen bemerkte der Carabinieri, daß das gedämpfte, goldgrüne Licht stark an Intensität zugenommen hatte, und die Quelle dieser Strahlung, die den ganzen Raum in eine gespenstische Szenerie verwandelte, war - Francisco Piecollo!
Lancone taumelte zurück. »Louis, schnell! Komm her und sieh dir das bloß an!« krächzte er mit panischer, sich überschlagender Stimme in die Finsternis des hinter ihm liegenden Ganges.
»Du brauchst ihn nicht mehr zu rufen. Er kann dich nicht mehr hören. Nie mehr!« höhnte Piecollo.
»Warum? Was soll das?« Sein Gegenüber zitterte.
»Er ist tot«, sagte der Alte, als sei dies die selbstverständlichste Sache der Welt. »Und du wirst es auch bald sein. Sieh her…!« Er trat auf einen der großen Schränke zu und
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