0134 - Der Goldene aus der Geisterstadt
bereits absehen, an dem er erneut in die Tiefe stürzen würde. Er konnte sein Schweben auch nicht unterbrechen, denn der riesige Wohnturm wies nirgends eine Öffnung oder einen Vorsprung auf, an dem er verweilen und rasten konnte. Er mußte es durchstehen - oder abstürzen, viele hundert Meter tiefer zerschmettern…
Er wollte nicht sterben. Alles in ihm lehnte sich gegen das drohende Ende auf. Schweißtropfen perlten auf seiner Stirn, und nur ein Gedanke beherrschte sein ganzes Sein.
Ich muß nach oben! Um jeden Preis!
Und irgendwie gelang es dem Kristall, diesen Gedanken zu verarbeiten. Als sich die magische Energie erschöpfte, griff der Kristall nach der materiellen Substanz Zamorras. Für Sekunden beschleunigte sich der Aufstieg wieder, brachte Zamorra der Rettung näher.
Doch auch die physische Kraft erschöpfte sich. Zamorra keuchte, atmete hastiger. Erneut spürte er seine Kräfte schwinden. Er sah auf seine zitternden Hände, die den Schwertgriff umklammerten.
Er erblaßte.
Seine Hände begannen transparent zu werden. Er vermochte bereits die Knochen zu erkennen, die sich immer deutlicher abzeichneten. Und auch sie begannen bereits zu verblassen…
Und nicht nur seine Hände allein! Sein gesamter Körper wurde in diesen Prozeß einbezogen. Der Dhyarra-Kristall saugte ihn aus, verzehrte seine Substanz!
Kaltes Entsetzen erfaßte den Professor. In diesem Augenblick zeigte sich die ganze, gefährliche Zweischneidigkeit der Magie. Immer blasser wurde seine Gestalt, wurde durchsichtig.
Doch da…
...war das Geländer der Brüstung! Zamorras Hände entließen das Schwert aus ihrem stählernen, verzweifelten Griff, krampften sich um das Geländer. Das Schwert klirrte auf den Boden der Galerie.
Im gleichen Moment hörte der magische Vorgang auf. Abrupt wirkte die normale Schwerkraft wieder auf den entkräfteten Professor ein, zerrte an seinem geschwächten Körper und versuchte ihn in die Tiefe zu reißen.
Noch einmal versuchte er seine letzten Kraftreserven zu mobilisieren. Doch da war nichts mehr, absolut nichts! Er konnte sich nicht mehr halten. Seine bleichen Knochenhände, nur noch von einer leichten hellen Aura umgebem, rutschten von dem Geländer ab, glitten ab…
Nein! schrien seine Gedanken verzweifelt. Nicht jetzt, wo ich es fast geschafft habe…
Und da waren plötzlich zwei Hände, die nach ihm griffen. Hände, die seinen federleichten Körper emporwuchteten, über die Brüstung hievten und dann langsam zu Boden sinken ließen. Auf einen festen, harten Boden, der ihm Halt gab…
Zamorra sah schwarze Augen in einem bronzenen Gesicht über sich. Das war sein letzter Eindruck, und sein letzter Gedanke war: Wenn der Dämon jetzt angreift…
Der Dämon griff nicht an. Profesor Zamorra verlor das Bewußtsein.
***
Lange Zeit verharrte Smok Arilann neben dem Bewußtlosen. Es mußte Zufall gewesen sein, der ihn in genau dem Augenblick an die Brüstung getrieben hatte, um nach dem zerschmetterten Körper Zamo Rras zu sehen. Da waren die Knochenhände aufgetaucht, die sich um das Geländer krallten, und der Prinz erkannte die nebelhafte, durchsichtige Gestalt Zamorras.
Er dachte nicht - er handelte nur. Zum sich wundern hatte er später Zeit. Er griff zu und wuchtete Zamorra empor, in Sicherheit. Erst dann begann er nachzudenken. Zamorra mußte den Sturz auf magische Weise abgefangen haben.
Und Smok Arilann begriff auch, daß Zamorra am Rande des Todes stand. Er war ausgelaugt, entkräftet. Er konnte jeden Moment endgültig sterben, einfach verwehen, zu Staub zerfallen, wenn ihm keine Hilfe geboten wurde. Lange Zeit starrte der Lemurer auf den blassen, verbleichenden Körper des Parapsychologen.
»Leben um Leben, Blut um Blut, Seele um Seele«, murmelte er den uralten Spruch. »Du hast mir meine Gestalt zurückgegeben und mich vor dem Dämon gerettet. Daher ist es nicht mehr als recht und billig, wenn ich einen Teil meiner Selbst opfere, um dich zu rotten…«
Er ging langsam zum Rand der Galerie und hob das Schwert auf, das Zamorras Heilung und Verhängnis geworden war.
Er spürte nicht den kühlen Wind, der in dieser Höhe herrschte und über seinen bloßen Körper strich. Langsam kehrte er zu Zamorra zurück und drückte ihm den Schwertgriff in die erschlaffte Hand. Dann faßte er selbst nach dem Kristall.
Es war, als begreife der Kristall, was man von ihm wolle. Smok Arilann fühlte das eigentümliche Saugen und Zerren, als etwas Unfaßbares nach seinen Kräften griff. Er fühlte, wie
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