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014 - Das Geheimnis der gelben Narzissen

014 - Das Geheimnis der gelben Narzissen

Titel: 014 - Das Geheimnis der gelben Narzissen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Edgar Wallace
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dafür, als er mit seinem Taschenmesser das Leder rings um die Schlösser wegschneiden wollte und dabei auf unüberwindliche Schwierigkeiten stieß. Die Tasche war nur außen von starkem Leder, innen befand sich ein Gewebe von Stahldrähten. Die Schlösser waren infolgedessen nicht zu entfernen. Enttäuscht warf er die Tasche wieder auf den Tisch. Er mußte seine Neugierde zügeln, bis er nach Scotland Yard zurückkehrte. Dort würden die Sachverständigen ihre Arbeit leisten. Während er noch darüber nachdachte, was wohl der Inhalt der Tasche sein könnte, hörte er plötzlich auf dem Gang Schritte, die an seiner Tür vorübereilten und sich dann der Treppe zuwandten, die seinem Zimmer gegenüberlag. Es mußten Gäste sein, die in dieselbe Verlegenheit wie er gekommen waren.
    In dieser fremden Umgebung bekam plötzlich die ganze Sache für ihn ein anderes Gesicht. Alle Personen, die in diesem merkwürdigen Drama auftraten, hatten etwas Unwirkliches an sich.
    Thornton Lyne erschien ihm phantastisch und ebenso phantastisch sein Ende. Milburgh mit dem ewigen Lächeln, dem großen schwammigen Gesicht und dem kahlen Kopf ;Mrs. Rider, diese farblose, geisterhafte Gestalt, die nur ab und zu im Hintergrund auftauchte, niemals handelnd eingriff und doch von dieser ganzen Tragödie nicht zu trennen war; Ling Chu mit seiner unerschütterlichen Ruhe, dem undurchsichtigen Gesicht, der von der geheimnisvollen Atmosphäre seines Heimatlandes umgeben war. Nur Odette Rider hatte für ihn wirkliches Leben, warm, erregend, wundervoll!
    Tarling runzelte die Stirn und erhob sich steif von seinem Stuhl. Er verwünschte sich selbst wegen dieser Schwäche. Wie konnte er nur ständig unter dem Einfluß dieser Frau stehen, die immer noch des Mordes verdächtig war? Es war seine Pflicht, sie dem Henker auszuliefern, wenn sie schuldig war, aber bei diesem Gedanken überlief es ihn heiß und kalt.
    Er ging in das nebenanliegende Schlafzimmer, legte die Ledertasche auf den Tisch neben seinem Bett, schloß die Tür und öffnete das Fenster.
    Morgens um fünf Uhr fuhr der erste Zug, und er hatte Auftrag gegeben, ihn rechtzeitig zu wecken. Er entkleidete sich nicht ganz, sondern legte nur Schuhe, Rock, Weste, Kragen und Krawatte ab und löste seinen Gürtel. Dann warf er sich aufs Bett und zog die Daunendecke über sich. Er konnte nicht einschlafen und grübelte, grübelte.
    Wenn nun die Zeitangaben über den Unglücksfall in Ashford nicht stimmten? Wenn Thornton Lyne früher ermordet wurde? Wenn Odette Rider wirklich eine kaltblütige - Aber er verscheuchte diese finsteren Gedanken.
    Er hörte die Kirchenuhr zwei schlagen und wartete ungeduldig auf das nächste Viertel, das sie anzeigen sollte. Er hatte alle Viertelstunden schlagen hören, seitdem er sich niedergelegt hatte, aber diesmal hörte er die Uhr nicht. Er mußte in einen unruhigen Schlaf gefallen sein, denn plötzlich träumte er, daß er in China in die Hände der schrecklichen Bande der ›Freudigen Herzen‹ gefallen sei. Er sah sich selbst in einem Tempel auf einem großen, viereckigen, schwarzen Stein liegen, seine Hände und Füße waren mit seidenen Stricken festgebunden. Gerade über ihm stand der Führer der Bande mit einem Messer in der Hand. Er schaute ihn böse an - und er erkannte das Gesicht von Odette Rider! Er sah, wie sich der spitze Dolch gegen seine Brust richtete und wachte schweißgebadet auf.
    Die Kirchenuhr schlug eben drei, und ein unheimliches Schweigen lag über der Welt. Aber er fühlte instinktiv, daß jemand im Raum war. Er wußte es ganz bestimmt, lag vollständig reglos und schaute aus halbgeschlossenen Augen angestrengt von einer Seite zur anderen. Es war niemand zu sehen. Kein Geräusch verriet den Fremden, und doch sagte ihm sein sechster Sinn, daß jemand in der Nähe war. Leise tastete er über den Tisch an seinem Bett und suchte nach der Mappe. Sie war verschwunden!
    Plötzlich knarrte eine Diele - das Geräusch kam aus der Richtung der Wohnzimmertür. Im nächsten Augenblick war er aus dem Bett gesprungen. Er sah, wie die Tür aufgerissen wurde und eine Gestalt hinauseilte. Der Einbrecher wäre auch entkommen, aber plötzlich fiel ein Stuhl um, und Tarling hörte einen Schrei. Bevor der andere sich erheben konnte, hatte der Detektiv ihn gefaßt und riß ihn zurück. Er sprang zur Tür nach dem Korridor, die offenstand, schloß sie und drehte den Schlüssel um.
    »Nun wollen wir einmal sehen, welchen seltenen Vogel wir gefangen haben«, sagte Tarling

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