014 - Die Falle des Zyklopen
Sie konnte keiner Fliege etwas zuleide tun, war eine brave, anständige Frau gewesen, hilfsbereit und gut.
»Wo bist du?« brüllte Eyre in ohnmächtigem Zorn. »Warum versteckst du feige Kreatur dich vor mir? Hast du nicht den Mut, mir entgegenzutreten?«
Stille.
Nur der Wind säuselte unheimlich.
»Wenn ich dich erwische, bringe ich dich um!« schrie Charles Eyre, während seine Augen in Tränen schwammen.
Nach dem Verlust der ersten Frau hatte er geglaubt, nie mehr glücklich sein zu können. Lange Zeit hatte er sich nicht vorstellen können, eine andere Frau an seiner Seite zu haben. Aber dann war Jacqueline in sein Leben getreten, und er hatte sich an sie gewöhnt.
Und nun dieser entsetzliche Schicksalsschlag. Er hatte die zweite Frau verloren. Und wie sie aussah. Grauenvoll. Wie war so etwas möglich? Wieso hatte Jacqueline nur noch ein Auge?
Eyre packte den Spaten und riß ihn aus der Erde. Seine Augen versprühten nackten Haß. Er war entschlossen, die Bestie, die seine Frau ermordet hatte, zu töten. Wie einen räudigen Hund wollte er den Mörder erschlagen.
»Komm hervor!« schrie er. »Ich weiß, daß du noch da bist! Ich will dich sehen!«
Auf einmal: Schritte.
Hinter Charles Eyre.
Der Mann kreiselte wie von der Natter gebissen herum. Er schwang den Spaten hoch, war bereit, zuzuschlagen. Da trat ihm Myriam, seine Tochter, entgegen.
***
Er sah sie verdattert an. »Du?« Langsam ließ er den Spaten sinken.
Er konnte sich nicht vorstellen, daß Myriam etwas mit Jacquelines Tod zu tun hatte. Er vermutete, daß sie aus einem ähnlichen Grund wie er auf den nächtlichen Friedhof gekommen war. »Was… was tust du hier, Myriam?« fragte er mit belegter Stimme.
Das Mädchen antwortete nicht, kam näher. Ernst und unbewegt war ihre Miene. Sie blickte ihren Vater durchdringend an. Ihr Blick gefiel ihm nicht. Was war da in ihren Augen? Ein böser, gemeiner Ausdruck?
Er streckte die linke Hand aus. »Geh nicht weiter, Myriam.«
»Warum nicht?« fragte das Mädchen.
»Deine Mutter…«
»Du meinst meine Stiefmutter !« korrigierte sie ihn hart.
»Ja. Sie… sie … Oh, es ist so entsetzlich. Ich möchte nicht, daß du Jacqueline so siehst.«
»Was ist denn mit ihr?« fragte Myriam scheinheilig.
»Jemand hat sie… umgebracht«, sagte Charles Eyre stockend.
»Er hat sie in meinem Wagen hierher gefahren, wollte sie in diesem frischen Grab verscharren. Bist du eben erst eingetroffen? Hast du niemanden gesehen? Der verfluchte Kerl muß sich noch auf dem Friedhof befinden.«
»Wieso glaubst du, daß es sich um einen Mann handelt?« fragte Myriam, ohne auf seine Fragen einzugehen.
»Eine Frau kann das unmöglich getan haben. So grausam können Frauen niemals sein. Deine Mutter hat kein Gesicht mehr, Myriam. Es ist weg. Jacqueline ist nicht mehr wiederzuerkennen. Ihr Antlitz ist total verbrannt. Aber das Schrecklichste ist… daß sie … daß sie nur noch … ein Auge hat.«
»Wie ein Zyklop«, stellte Myriam eisig fest.
»Mein Gott, du redest, als würde dich das überhaupt nicht berühren, Myriam!« ächzte Charles Eyre.
»Tut es auch nicht!« behauptete das Mädchen mit schmalen Lippen.
Er erschrak. »Was sagst du da? Habe ich mich verhört?«
»Ganz und gar nicht.«
»Es… es tut dir nicht leid um Jacqueline? Himmel, was bist du für eine herzlose Person? Selbst wenn ein mir völlig fremder Mensch auf diese schreckliche Weise sein Leben verlieren würde, wäre ich erschüttert.«
Myriam hob trotzig den Kopf und sah ihrem Vater kalt in die Augen. »Mir geht es nicht einen Millimeter unter die Haut.«
»So sehr hast du Jacqueline gehaßt?«
Myriam lachte spöttisch. »Du armer Teufel. Du hast ja keine Ahnung, was gespielt wird.«
»Dann sag es mir!« verlangte Eyre heiser.
» Ich habe Jacqueline umgebracht!«
»Du?« Er schüttelte heftig den Kopf. »Nein, Myriam. Nein, das glaube ich nicht!«
»Es ist aber so.«
»Warum solltest du so etwas Entsetzliches getan haben?«
Sie grinste ihn höhnisch an. »Vielleicht hatte ich meine Gründe dafür.«
»Womit solltest du Jacqueline so schrecklich entstellt haben?«
»Damit«, sagte das Mädchen ruhig und hob die rechte Hand.
Charles Eyre sah eine leere Handfläche. »Womit denn?« fragte er gepreßt.
Da rief das Mädchen Zakattas Namen, und das glühende Zyklopengesicht wurde sichtbar!
***
Eyre wich einen Schritt zurück. »Jesus, was ist das?«
»Das Zeichen des Zyklopen!« antwortete Myriam kalt lächelnd.
»Damit kann ich
Weitere Kostenlose Bücher