0140 - Mörder auf freiem Fuß
leid, wenn ich ein bißchen salopp dahergeredet habe. Ich werde in Zukunft mit meinen Äußerungen vorsichtiger sein. Aber was die dienstliche Seite der Sache angeht, bin ich nicht deiner Meinung. Wir können im Büro darüber sprechen.«
Als er sich an unseren gemeinsamen Schreibtisch gesetzt hatte, zündete ich mir eine Zigarette an und zeigte auf den Aktenberg, der mehr als die Hälfte des Schreibtisches bedeckte.
»Das sind sämtliche Unterlagen über den Alec Standwich-Fall. Ich habe sie mir aus San Francisco schicken lassen, und ich habe sie in der vergangenen Nacht durchgelesen. Eleonor Truster hat uns ziemlich genau die Wahrheit gesagt, als sie diese Vorgänge, die schließlich Jahre zurückliegen, schilderte.«
»Warum mißtraust du ihr dann?« fragte er aufsässig.
»Ich mißtraue ihr nicht, Carrol. Ich prüfe nur ihre Angaben nach. Du mußt die merken, mein Junge, daß kein G-man es einfach schlucken darf, wenn irgendwer ihm erzählt, ein anderer wäre aus diesen oder jenen Gründen sein Feind. Er muß das nachprüfen. Es ist seine Pflicht.«
»Okay, du hast es geprüft und festgestellt, daß Eleonor die Wahrheit sagte.«
»Trotzdem bleibt einiges unklar. Butch Donald hielt sich etwa zehn Tage in New York auf, bevor er von uns gefaßt wurde. Alec Standwich kann sich seit seinem Ausbruch höchstens genauso lange in New York aufhalten. Wie brachte er es fertig, in dieser Zeit Donald zu treffen? Woher kannte er ihn überhaupt? Es dürfte für einen entsprungenen Sträfling, selbst wenn er Geld hat, ziemlich schwierig sein, einen Mann zu finden, der für ihn einen Mord ausführt. Aber selbst wenn wir annehmen, daß Standwich durch uns unbekannte Umstände an Donald geraten ist, warum führte der dicke Butch diesen Mord dann nicht aus? Das sind alles Fragen, die wir nicht beantworten können, aber die wir beantworten müssen, wenn wir klarsehen wollen. Es kommen noch andere ungeklärte Umstände hinzu. Knapp vierundzwanzig Stunden nach Donalds Tod fand sich schon ein anderer Mann, der eine Kugel auf Eleonor Truster abfeuerte.«
»Vielleicht kann ich es dir erklären«, sagte Carrol »Es könnte so gewesen sein, daß Alec Standwich den dicken Butch für das Verbrechen an seiner ehemaligen Frau charterte, aber Donald ihn betrog. Er kassierte die fünftausend Dollar, dachte aber nicht daran, die entsprechende Gegenleistung zu vollbringen. Standwich mußte sich nach einem anderen Mann umsehen und fand ihn. Daß dieser Mann vierundzwanzig Stunden nach Donalds Tod versuchte, die Tat zu vollbringen, braucht keinen ursächlichen Zusammenhang zu haben.«
»Gut«, gab ich zu, »das wäre eine Erklärung, aber du weißt noch nicht, wer der Mann war, der auf Eleonor Truster schoß. Er heißt Sandro Bertuc, gehörte in San Francisco zu Standwichs Bande und belastete seinen Chef im Zusammenhang mit dem Juwelen-Einbruch schwer. Es handelt sich also um einen Burschen, der Standwich verraten hat. Ziemlich unwahrscheinlich, daß Standwich sich ausgerechnet ihn wieder als Gehilfen herangezogen hat.«
Carrol preßte die Lippen zusammen und dachte nach. Schließlich antwortete er knapp:
»Unter Gangstern ist alles möglich. Standwich sitzt immerhin dick in der Tinte. Warum soll er in dieser Situation nicht mit einem Mann arbeiten, den er von früher kennt? Der Junge hat ihn mal verpfiffen, sagst du. Wahrscheinlich hat er deswegen besondere Angst vor seinem ehemaligen Chef, und Standwich kann alles von ihm verlangen.«
Der gute Carrol wollte einfach nicht, daß auf Eleonor Truster auch nur das Stäubchen eines Verdachtes haften blieb. Der Junge war bis über beide Ohren verliebt, und Verliebte können es einfach nicht vertragen, wenn man den Gegenstand ihrer Liebe mit kritischen Augen betrachtet.
»Okay, wir werden sehen, wie diese Dinge sich entwickeln«, schloß ich die Unterhaltung. »Wenn du Lust -hast, sieh dir diese Akten durch.«
***
Der Cop, der auf die Bitte des FBI. vom zuständigen Revier für die ständige Überwachung des Hauses 2348 der
11. Avenue abgestellt war, grinste ein bißchen, als Carrol Bender aus einem Taxi stieg und durch den Vorgarten der Villa dem Haus zustrebte. Er hatte den jungen Mann und die verdammt hübsche Besitzerin des Hauses schon heute nachmittag zusammen gesehen. Er beneidete den jungen Mann nicht wenig.
Wenn sie mich zum Abendessen einlüde, würde ich auch nicht abschlagen, dachte er, obwohl mir Elly heimleuchten würde, wenn ich es täte. Elly war die Frau des Polizisten.
Es
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