0140 - Mörder auf freiem Fuß
mit!«
»Hübsche Wünsche haben Sie, Jerry«, antwortete sie. »Wenn Sie nicht die Pistole erwähnt hätten, so hätte ich annehmen müssen, Sie wollten mich zu einer Party laden.«
»Ich werde nie eine Dame bitten, zu einer Party einen Schlafanzug mitzubringen.«
»Ich trage Nachthemden«, sagte Ann Syler. »In einer halben Stunde bin ich bei Ihnen.«
Ann Syler war eine der wenigen Spezialagentinnen, die der FBI. sich leistet. Im allgemeinen fällt bei uns nur harte Männerarbeit an, aber hin und wieder kommt es vor, daß irgendeine Sache nicht ohne die Mitwirkung einer Frau erledigt werden kann.
Für solche Zwecke bezahlt der FBI. eine Reihe gewöhnlich recht gut aussehender Damen, die über ungewöhnliche Talente verfügen, bei denen die sichere Handhabung einer Pistole nicht die unwesentlichste Rolle spielt.
»Darf ich wissen, was du mit Ann beabsichtigst?« erkundigte sich Phil.
»Warte ab«, brummte ich und machte es mir in einem der verschlissenen Sessel beguem.
Ziemlich genau nach einer halben Stunde läutete die Türklingel. Phil öffnete und führte Ann Syler herein.
Obwohl mein Anruf Ann aus dem Bett gescheucht hatte, sah man es ihr nicht an. Eine Frau hat es nun einmal leichter als ein Mann, wenn sie irgendwo plötzlich erscheinen soll. Unsereinem kann man es an der Länge der Bartstoppeln nachrechnen, wann er das Badezimmer zum letztenmal betreten hat.
Ann war eine hübsche Frau, nicht mehr weit von den Dreißig zwar, aber dafür besaß sie Haltung, Rasse und Intelligenz. Äußerlich erinnerte sie ein wenig an Eleonor Truster, aber vielleicht lag die Ähnlichkeit nur in den dunklen Haaren.
»Hallo, Jerry«, sagte Ann und reichte mir die rechte Hand. In der linken trug sie einen kleinen Koffer.
Sie sah sich um. »Hier müßte mal Hausputz gemacht werden«, stellte sie fest.
»Wenn Sie wollen, können Sie sich damit beschäftigen, Ann. Ich möchte Sie nämlich bitten, ein wenig hierzubleiben.«
Nach einem mißtrauischen Blick ließ sie sich auf einen der Sessel nieder.
»Zu welchem Zweck?«
»Die Besitzerin dieses Hauses ist anscheinend vor rund zwei Stunden entführt worden. Bei dieser Gelegenheit verschwand ein junger Kollege von mir, der sich in die Dame verguckt hatte.«
»Wie sympathisch«, meinte Ann. »Das kann Ihnen wohl nie passieren, wie, Jerry?«
Ich grinste flüchtig. »Versuchen Sie es mal, wenn ich dienstfrei bin. Im Augenblick habe ich keine anderen Wünsche, als daß Sie die Rolle der Hausbesitzerin übernehmen.«
»Für wie lange?«
»Das ist unbestimmt. Es kann sich um eine Woche handeln. Es kann auch sein, daß sich die Sinnlosigkeit des Unternehmens schon morgen früh herausstellt.«
»Was erwartest du eigentlich, Jerry?« fragte Phil.
»Ich erwarte nichts. Ich setze nur zur Vorsicht auf ein Pferd, das so lahm ist, daß es im Grunde genommen nicht die geringste Aussicht hat, ins Ziel zu gelangen. Es könnte sein, daß gewisse Leute noch nichts von der Entführung Eleonor Trusters erfahren haben. Vielleicht melden sich diese Leute, und wir können von ihnen herausbekommen, warum Eleonor Truster um keinen Preis New York verlassen wollte.«
»Sehe ich der Dame so ähnlich, daß ich selbst ihre Freunde täuschen könnte?« fragte Ann.
»Nein, ich nehme aber nicht an, daß diese Freunde sich persönlich melden. Sollte es doch der Fall sein, so nehmen Sie Ihren hübschen Revolver aus der Handtasche und halten die Freunde fest, bis Phil und ich eintreffen. — Wahrscheinlicher jedoch — wenn überhaupt etwas geschieht — wird es ein Telefonanruf sein, und ich hoffe, es gelingt Ihnen, Ann, telefonisch die Anrufer über Ihre Identität zu täuschen.«
»Dazu müßte ich wissen, wie die Stimme der Hausbesitzerin klingt.«
»Versuchen wir es mal. Die Tonlage ist etwa richtig, vielleicht eine Kleinigkeit tiefer, aber Eleonor Truster spricht nicht so akzentuiert wie Sie. Sie müssen etwas nachlässiger sprechen. Erzählen Sie mir irgend etwas über das Wetter!«
Vielleicht kommt es Ihnen lächerlich vor, aber ich beschäftigte mich 'ne Stunde lang damit, Ann Sylers Stimme so zu trimmen, daß ich hoffen konnte, man würde sie am Telefon für Eleonor Truster halten.
»Und was soll ich sagen?« fragte sie, als ich endlich zufrieden war.
»Ich habe nicht die geringste Ahnung. Ich muß es Ihnen überlassen, wie Sie damit fertig werden.«
Sie seufzte. »Ich sagte es ja schon: Hübsche Wünsche haben Sie.«
***
Carrol Bender kam noch während der Fahrt zu sich. Im
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