0140 - Schreie in der Horror-Gruft
jedoch nur als eine seelenlose Hülle. Ohne Blut, ohne Leben…
Wenn sie daran dachte, trieb, ihr die nackte Todesangst Tränen in die Augen, und ihre Knie zitterten. Sie schritt ihrem Tod entgegen, und es gab keine Hilfe.
Zwar hatte sie auf John Sinclair und ihren Bruder gehofft, doch die beiden schienen ebenfalls keine Chance mehr zu haben. Sie waren zwar in den Schloßhof eingedrungen, doch Ilona hatte die Brutalität der Wächter am eigenen Leibe kennengelernt. Gegen diese Männer hatten auch John und Karel keine Chancen.
Die Treppe schlug einen Bogen und endete in einem kleinen Flur, der ebenfalls durch Kerzenlicht erhellt wurde. Das Mädchen mußte die Tür öffnen und fand sich in demselben Raum wieder, den es schon einmal betreten hatte. Diesmal waren sie nur durch eine andere Tür gekommen.
Und der Raum war belebt.
Fünf Mädchen zählte Ilona.
Unwillkürlich blieb sie stehen, denn die Mädchen waren ebenso gekleidet wie sie.
Lange schwarze Umhänge, mit roter Seide gefüttert, darunter trugen sie nichts.
Sie schauten Ilona an.
Und wie auf Kommando öffneten sich ihre Lippen.
Fünf Mädchen – fünf Vampire!
Nicht eine war normal. Alle trugen das Zeichen der Blutsauger, die beiden spitzen Eckzähne.
Die Dienerinnen standen hinter dem Thron des Grafen, hatten dort einen Halbkreis gebildet, als wollten sie den Unheimlichen schützen.
Er hockte dort wie ein König.
Zum erstenmal in ihrem Leben stand Ilona vor dem Vampir-Grafen Fariac! Diesmal spürte sie etwas von der Ausstrahlung, die dieser Graf hatte. Es war wie ein kalter tödlicher Hauch, der ihr entgegenwehte und eine Gänsehaut auf den Körper legte.
Sie begann zu zittern.
Dann spürte sie wieder die Hand der Gräfin an ihrem Rücken.
»Geh vor, kleine Ilona!«
Das Mädchen gehorchte, doch nach zwei Schritten blieb es stehen. Ilona konnte einfach nicht mehr. Alles drehte sich vor ihren Augen. Diese schaurige, von Kerzenschein umhüllte Atmosphäre, ließ sie frösteln. Die fünf Mädchen, der Thron mit dem Vampir, alles drehte sich vor ihren Augen. Sie streckte die Arme aus, um sich irgendwo festzuhalten, doch da war nichts.
Sie griff ins Leere und fiel hin.
Schwer schlug sie zu Boden. Die letzten Stunden hatten ihren Tribut gefordert.
Die Gräfin ballte die Hände. Sie stand neben Ilona. »Steh auf!« herrschte sie Ilona an.
Das Mädchen blieb liegen.
Die Gräfin hob den Fuß. Ihr Gesicht verzerrte sich. Sie wollte es mit Gewalt versuchen.
Fariac griff ein. Er streckte seine Hand aus. »Nein!« sagte er mit dumpfer Stimme. »Nicht…«
Katharina zögerte.
Auf einen Wink hin traten zwei Mädchen vor. Sie gehorchten dem Grafen blind.
Es waren Frederike und Martha, beide hübsch und beide blond, während die anderen drei schwarze und braune Haare hatten. Die beiden wußten Bescheid. Sie bückten sich und packten die am Boden liegende Ilona unter.
Dann schleiften sie sie auf den Thron des Grafen zu, wo Fariac schon auf das neue Opfer wartete.
Wie eine Puppe hing Ilona in den Griffen der beiden Mädchen.
Ihr Kopf fiel zur Seite. Sie war schon so blaß, als hätte man ihr bereits jetzt das Blut ausgesaugt.
»Schau mich an!« sagte der Graf.
Wie durch Watte drang die Stimme in Ilonas Hirn. Sie öffnete die Augen. Noch verschwamm die Umgebung, noch wollten die Knie nachgeben, doch sie merkte, daß es ihr langsam besserging, daß sie wieder Tritt faßte und von allein stehenblieb.
Der Graf schaute auf sie herab.
Ilona sah hoch.
Zwangsläufig trafen sich ihre Blicke, und das Zigeunermädchen sah das Gesicht des Grafen aus kürzester Entfernung.
Die Augen fielen ihr auf. In ihnen, die sie an schwarze Kohlestücke mit glühendem Rand erinnerten, flackerte die Gier.
Die Gier nach frischem Blut!
Er mußte lange keines mehr bekommen haben, denn seine spinnenartigen Hände schabten unruhig über die beiden Sessellehnen. Der schmale Mund zuckte. Der Widerschein der Kerzen warf flackernde Schatten über sein bleiches, hohlwangiges Gesicht, bis hin zu den dunklen Haaren, die er glatt nach hinten gekämmt hatte.
Er trug dunkle Kleidung, ebenfalls einen schwarzen, mit roter Seide gefütterten Umhang, eine lange dunkle Hose und eine enge Jacke der gleichen Farbe.
Die Menschen sprachen nur flüsternd und ängstlich von ihm. So war er ihr beschrieben worden, und so sah er auch in Wirklichkeit aus.
Abermals streckte er seinen Arm aus. Die Hand beschrieb einen kleinen Bogen und berührte die Wange des Mädchens.
Ilona zuckte
Weitere Kostenlose Bücher