0140 - Schreie in der Horror-Gruft
beeilen…
***
Diesmal war ihr Widerstand gebrochen. Ilona ließ sich abführen wie eine Gefangene. Und das war sie letzten Endes ja auch.
Gefangen in einem gewaltigen Schloß, umgeben von Vampiren und Feinden.
Sie schritten die Treppe hinab. In einem Halbbogen führte sie nach unten. Die Stufen waren breit und verjüngten sich nur in Nähe des wertvollen Geländers, das eine Blattgoldauflage bekommen hatte. Matt glänzte sie im Widerschein des Lichts.
In diesem Schloß gab es keine große Helligkeit. Man achtete darauf, daß nicht zu viele Kerzen angezündet wurden. Alles sollte im Dämmer, im Halbdunkel bleiben. Geheimnisvolle Schatten, finstere Ecken, dunkle Winkel…
Und dazwischen der Vampir mit seinen Dienerinnen.
Eine schaurige Szenerie.
Die Gräfin warf ihrer Gefangenen hin und wieder einen Blick zu.
Ilona hielt den Kopf gesenkt und schaute auf ihre Schuhspitzen. Sie hatte nicht mehr die Kraft, einen Fluchtversuch zu unternehmen, widerstandslos ergab sie sich in ihr Schicksal.
Das Ende der Treppe war erreicht. »Na?« fragte die Gräfin.
»Denkst du immer noch an Flucht?«
Kopfschütteln.
»Das würde ich dir auch nicht raten, kleine Ilona, denn dann wärest du verloren.«
»Das bin ich sowieso.«
»Wie kannst du nur so sprechen?«
Ilona schaute die Gräfin an. »Stimmt es denn nicht? Ich soll doch die Vampirtaufe empfangen, das heißt, ich werde von einem Vampir gebissen und somit zu einer Untoten, einer Blutsaugerin. Habe ich da unrecht?«
»Nein.«
»Dann bin ich also verloren.«
»So kannst du das nicht sehen, meine Liebe. Du wirst Freude empfinden, wenn er dich küßt. Wirkliche Freude. Wenn du seine Dienerin bist, dann ist alles anders. Du führst ein Leben der Nacht. Du wirst die Sonne hassen und den Mond lieben. Manchmal, da läßt er dich frei, dann darfst du nachts über die Felder und durch die Wälder streifen und dir die Opfer suchen. Junge, kräftige Männer, die nur auf dich allein warten, meine Liebe. Und dann die Dörfer. Sind sie nicht mit Menschen gefüllt? Warten sie nicht auf dich? Du gehst hin und holst sie in der Nacht aus den Betten. Du wirst soviel Blut bekommen, wie du willst. Es wird nun deine Nahrung sein, meine Liebe.«
»Hört auf, Gräfin!« flüsterte Ilona. »Bitte, hört auf. Ich kann nicht mehr, ich will es nicht mehr wissen.« Das Zigeunermädchen hob den Kopf und schaute der Gräfin ins Gesicht, wo sich das falsche Lächeln über die Lippen gelegt hatte. Deutlich sah Ilona die beiden gefährlichen Zähne und dann das Zucken um ihre Mundwinkel.
Ilona ahnte, was die Vampirin dachte. Instinktiv hob sie beide Hände und schützte ihren Hals.
Katharina lachte. »Keine Angst, mein Kind. Ich nehme dich schon nicht. Du gehörst dem Grafen.« Sie schaute sich um und deutete auf eine prunkvolle Tür, in deren Oberfläche ein Vampirkopf geschnitzt war. »Da geht es durch!«
Die Gräfin faßte das Mädchen am Arm und zog es einfach mit.
Die Tür hatte eine große Klinke.
»Öffnen!« befahl Katharina.
Das Zigeunermädchen zog die Tür auf.
Kühle Kellerluft wehte ihr entgegen, die einen modrigen Geruch mit sich brachte und Katharina schon jetzt darauf hinwies, was sie im Keller erwartete.
Sie schauderte.
Dann fühlte sie die kalte Hand der Gräfin in ihrem Rücken. »Geh schon vor, Kindchen. Nur keine Scheu. Wir haben uns bereits verspätet. Der Graf wird ungeduldig sein.«
Das Mädchen stieg die Treppe hinab. Es waren keine rohen Steinstufen, sondern aus bestem Marmor gefertigte, die glänzten, als hätte man sie poliert.
Das Mädchen wunderte sich, wie hell die Stufen waren, der Kontrast jedoch war vorhanden.
Die Wände bestanden aus schwarzem Marmor! Fugenlos gingen die großen Steine ineinander über, so daß man das Gefühl haben konnte, eine glatte Fläche vor sich zu haben. Es gab auch ein Geländer an der rechten Wandseite. Der eiserne Handlauf war mit Samt überzogen worden.
Kerzen spendeten Licht. Das rote Glas über den Flammen tauchte die Umgebung in einen blutigen Schein. Es war alles stilecht hergerichtet.
Die Gräfin blieb immer eine Stufe hinter dem Mädchen. Katharina lächelte noch immer, und die beiden Vampirzähne blieben frei.
Sie schimmerten weißgelb und hoben sich von den Lippen deutlich ab.
Mit jeder Stufe, die Ilona in die Tiefe schritt, sanken ihre Chancen. Sie sah selbst ein, daß sie aus diesem Schloß nicht mehr flüchten konnte. Sie war von Feinden umgeben, die ihren Tod wollten, obwohl sie hinterher weiterlebte,
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