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015 - Die Heiler

015 - Die Heiler

Titel: 015 - Die Heiler Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Claudia Kern
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außerhalb der Kugeln folgte. Damit manövrierte er eine Fraktion der Gruppe aus, die so schnell wie möglich in die Stadt zurückkehren wollte, um die medizinische Versorgung zu gewährleisten. Die Abkapselung von der Außenwelt tat ein Übriges, um ein »Wir-gegen-sie-Gefühl« hervor zu rufen. Der Angriff der Plünderer musste für Jon fast wie ein Gottesgeschenk gewesen sein, bestätigte er doch, was er bisher gepredigt hatte. Nach all diesen Ereignissen war Danielle gezwungen gewesen, ihre Meinung über den jungen Kollegen zu revidieren. Vor der Katastrophe war er für sie nicht mehr als ein lästiges Ärgernis gewesen, dem man zwangsläufig auf dem Flur guten Tag sagen musste.
    Jetzt wusste sie, dass er gefährlich war.
    Jon sah auf, als habe er ihre Gedanken gehört. Er lächelte.
    »Marie, Danielle, würdet ihr einen Moment zu mir kommen? Ich möchte euch etwas zeigen.«
    »Natürlich«, flötete Marie lächelnd, und Danielle konnte nur mühsam ein Stöhnen unterdrücken.
    Die Kinderärztin machte keinen Hehl daraus, dass sie sich für Jon interessierte. In der Gruppe nannte man sie nur noch »das Echo«, da sie die schlechte Angewohnheit entwickelt hatte, bei allen Diskussionen Jons Meinung einfach nachzuplappern.
    Macht ist nun mal erotisch, dachte Danielle mit einem innerlichen Schulterzucken, als sie sich zu Jon an den Tisch setzte.
    Marie zog einen weiteren Stuhl heran und setzte sich so dicht neben den Chirurgen, dass sie aussahen wie siamesische Zwillinge. Jon lächelte sie an.
    Danielle zündete sich ihre viertletzte Zigarette an und wurde mit zwei missbilligenden Blicken belohnt. Sie fühlte sich spontan besser.
    »Ich habe einen Lageplan des Atomiums erstellt«, sagte Jon und breitete einige Blätter auf dem Tisch aus, die mit Zeichnungen bedeckt waren. »Hier, in den Kühlräumen lagern wir die Lebensmittel. In den Nebenräumen ist genügend Platz für die Laborbehälter und die Kisten. Seht ihr diesen Raum? Den könnte man relativ leicht sterilisieren, für den Fall, dass wir Operationen durchführen müssen. Dort sind die Schlafbereiche, weitere Lager, und hier ist der Gemeinschaftsbereich.«
    Danielle betrachtete die Zeichnungen skeptisch. Jon hatte sich große Mühe gegeben, einen beinahe maßstabgetreuen Plan zu erstellen, aber sie fragte sich nach dem Sinn seiner Arbeit. Keiner von ihnen hatte vor, die nächsten Jahre hier zu verbringen. Sie warteten alle nur darauf, dass die Polizei oder die Armee auftauchte und ihnen sagte, dass alles wieder in Ordnung sei.
    Das Bild des brennenden Brüssels tauchte vor Danielles geistigem Auge auf. Vielleicht dauerte es ja doch ein wenig länger…
    Marie plagten solche Zweifel nicht. Sie hatte sich ganz in das Werk ihres Angebeteten vertieft und studierte jede Zeichnung so genau, als sei sie das Werk eines neuen Picasso.
    Danielle hatte die Kinderärztin nie für sonderlich intelligent gehalten, aber in den letzten Wochen verhielt sie sich beinahe schon dümmlich.
    »Was ist denn das für ein Raum?«, fragte Marie schließlich. In ihren Augen las Danielle die Hoffnung, genau das richtige gefragt zu haben und die Angst, die Frage könnte falsch sein.
    Jon nahm ihr das Blatt aus der Hand und strich es glatt. »Das, meine liebe Marie«, erklärte er überheblich, »ist das Herzstück unserer kleinen Festung.«
    »Die Waffenkammer?«, tippte Danielle.
    Der Chirurg schüttelte den Kopf. Marie schloss sich der Geste an, obwohl sie keine Ahnung hatte, worum es ging.
    »Der Kinderhort«, verkündete Jon stolz.
    »Unsere Zukunft.«
    Danielle setzte zu einer Entgegnung an, aber der junge Arzt fuhr unbeirrt fort: »Deshalb wollte ich euch beiden diese Entwürfe zuerst zeigen. Als Kinderärztin beziehungsweise Psychologin seid ihr am besten geeignet, den anderen ein gutes Beispiel zu geben. Daher möchte ich, dass ihr zuerst schwanger werdet.«
    Marie lächelte. »Gerne, Jon.« Danielle starrte sie fassungslos an.
    ***
    Die Ebene war bei weitem nicht so flach, wie Matt angenommen hatte. Sie bestand vielmehr aus einer Reihe sanft ansteigender Hügel, die es erschwerten, die Entfernung zum Atomium richtig einzuschätzen. Mal sahen die Kugeln zum Greifen nah aus, nur um dann hinter dem nächsten Hügelkamm zu verschwinden. Deshalb wohl traf Matt der Anblick, der ihn auf der nächsten Anhöhe erwartete, völlig unvorbereitet.
    Gerade noch hatte er der bewusstlosen Aruula Geschichten aus seiner High-School-Zeit in Riverside erzählt, während der Frekkeuscher mit seinem

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