0152 - Der Gigant von Atlantis
Die Menschen helfen sich und gehen ihre Probleme gemeinsam an. Sie hätten den Ort hier mal vor zwanzig Jahren sehen sollen. Nur ein paar Hütten, mehr nicht. Dann haben wir uns an die Arbeit gemacht und es geschafft. Doch was erzähle ich Ihnen. Deshalb sind Sie ja wohl nicht gekommen.«
»Nein, das nicht.« Ich stellte Suko und mich vor. Und ich sagte auch meinen Beruf.
»Von Scotland Yard sind Sie?«
»Ja.«
»Das ist ein Ding.« El Jefe öffnete eine Schranktür und holte eine Flasche hervor. Er nahm auch drei Gläser. »Darauf müssen wir einen Schluck nehmen, Gentlemen.« Ich war nicht abgeneigt, doch Suko schüttelte den Kopf. »Sehr vernünftig. Aber diesen Selbstgebrannten sollten Sie wirklich mal probieren.« El Jefe füllte die Gläser mit der gelblich schimmernden Flüssigkeit.
Ich nippte nur daran. Zum Glück. Der Schnaps war so stark, daß er die Socken durchbrannte. El Jefe grinste. »Klasse, nicht?«
»Über Geschmack läßt sich ja bekanntlich streiten«, erwiderte ich.
Dann sagte er uns seinen richtigen Namen. Wir erfuhren, daß er Mike Hunter hieß. »Aber hier nennen mich alle nur El Jefe«, erklärte er.
»Auch der Polizist in Lima, der uns zu Ihnen geschickt hat«, lächelte ich.
»Ja, ich habe dort einige Freunde. Worum geht es eigentlich?«
Wir nahmen Platz, und ich erklärte Mike Hunter den Grund unseres Besuches.
Aufmerksam hörte er zu. Je länger ich redete, um so mehr verfinsterte sich sein Gesicht. Als ich mit meinem Bericht fertig war, sagte er: »Sie haben da ein verdammt heißes Eisen angepackt, wissen Sie das?«
»Ja.«
El Jefe trank sein Glas leer. »Ich habe von Chiimal gehört. Jeder kennt ihn hier. Chiimal geistert durch die alten Sagen und Legenden. Man spricht von einem gewaltigen Ungeheuer, das aus einem fernen Land gekommen ist und ein grausames Erbe hinterlassen hat, das allerdings noch verschüttet ist. Doch irgendwann soll die Zeit kommen, wo Chiimal sein Erbe antritt.«
»Das scheint jetzt zu sein«, bemerkte ich.
»Ja, es sieht so aus.«
»Haben Sie jemals den Namen Julio Valdez gehört?« erkundigte ich mich.
»So heißt hier jeder dritte.« Ich beschrieb Valdez.
»Nein, der war in den letzten Tagen nicht hier. Ein Fremder fällt sofort auf.«
»Dann befindet er sich bestimmt schon im Tal der Götter.«
»Wo Sie auch hin wollen.« Ich nickte.
El Jefe sah uns ernst an. »Normalerweise hätte ich Sie auslachen müssen, aber ich lebe schon zu lange in diesem Land, um über die alten Geschichten zu lachen oder sie nicht ernst zu nehmen. Das Tal der Götter gibt es, und kein Einheimischer traut sich in dieses Gebiet hinein. Der Ort ist verflucht.«
»Würden Sie uns denn begleiten?«
»Ich bin ehrlich. Nur ungern.«
»Aber Sie kommen mit?«
»Ja. Sollte dieses Ungeheuer wirklich erweckt werden…«
»Wo befindet sich Chiimal eigentlich?« unterbrach Suko. »Der Sage nach soll er unter Tonnen von Gestein begraben sein. Genau weiß ich das nicht, aber wir müßten es herausfinden. Auch bedarf es gewisser Vorbereitungen, um Chiimal zu erwecken«, erklärte er.
»Die hat Valdez schon hinter sich.«
»Die Zeit drängt also?« Suko und ich nickten gemeinsam.
»Dann werden wir noch an diesem Tag aufbrechen.«
»Wie weit ist es?« erkundigte ich mich.
»Zwanzig Meilen von hier finden Sie das Tal der Götter. Aber es gibt keine Straße, wir müssen über Geröllhalden und Felsen fahren. Wird ziemlich abenteuerlich.«
»Damit haben wir gerechnet«, lachte ich.
El Jefe stand auf. »Deshalb wollen wir keine Zeit mehr verlieren. Es wird bald dunkel. Wie sieht es mit Ihrer Ausrüstung aus?«
»Mies.«
»Okay, ich packe einiges zusammen.«
»Unseren Wagen könnten wir nehmen. Oder haben Sie einen besseren?«
»Nein.« Hunter schüttelte den Kopf.
Da wurde die Tür aufgerissen. Mit hochrotem Kopf stürmte der Polizist in den Raum.
Er war so aufgeregt, daß er kaum sprechen konnte und eine Hand gegen seine linke Brustseite gepreßt hielt, als könnte er so seinen Herzschlag beruhigen.
»Was ist denn geschehen?« rief Mike Hunter.
»Chiimal!« keuchte Pablo, und mit diesem Wort elektrisierte er uns alle. »Chiimal! Die alten Legenden erfüllen sich. Sehen Sie selbst, El Jefe. Die Totenfeuer brennen…«
***
Wir rannten auf die Straße. Auch dort hatten sich inzwischen zahlreiche Menschen versammelt. Und alle schauten nur in eine Richtung.
Zu den Bergen hinüber, die sich als dunkle Kette von dem langsam grau werdenden Himmel abhoben. Jeder sah das
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