0153 - Sie nannten sich Löwen und Tiger
Fenster und sah hinüber. Von hier konnte ich direkt in das Zimmer der Angestellten blicken. Es lag auf gleicher Höhe. Das Fenster war offen, und ich sah ein paar Blumentöpfe, die auf dem Sims standen.
Ich beugte mich etwas vor und erlebte eine Überraschung. Margrets Zimmer hatte einen zweiten Eingang. Rund um das Haus lief ein Balkon, und zu diesem Balkon führte eine bequeme Holztreppe aus dem Garten empor. Sie endete unmittelbar neben Margrets Fenster.
»Ja«, sagte Crosswing, der neben mich getreten war. »Das ist wahrscheinlich der Weg, den der Mörder genommen hat. Er ist dann hier durchs Fenster geklettert. Sie können noch die Kratzer sehen.«
Ich sah Phil an, und wir beide hatten den gleichen Gedanken. Die Farbige hatte behauptet, von nichts zu wissen. Wir aber wussten, dass die Frau gewaltig neugierig war, so neugierig, dass sie sogar am Vorabend im Garten herumgeschnüffelt hatte.
»Einen Augenblick, Lieutenant«, sagte ich und hob das Bein über das Fensterbrett.
Im nächsten Moment war ich draußen. Phil folgte. Wir brauchten einander nichts zu erklären. Wir wussten, was wir wollten.
Die Garage stand offen. Darin befanden sich zwei Wagen, ein großer Impala und ein roter Chrysler Roadster. Im Hintergrund war eine Tür, und dahinter führte eine Treppe nach oben. Das Zimmer der Köchin war unverschlossen. Es war tadellos aufgeräumt und strahlte Gemütlichkeit aus. Es gab eine Unzahl von Deckchen, Kissen und billigen Nippes. An den Wänden hingen Familienfotos. Alles dies überflogen wir nur.
Mein erster Weg war zum Fenster, und ich stellte fest, dass man von dort hinter den Blumen und Pflanzen verborgen, Margrets ganzes Zimmer übersehen konnte. Phil hatte inzwischen den Schrank geöffnet. Darin hing eine Anzahl billiger, farbenfreudiger Kleider, aber das war nicht die Hauptsache. Im untersten Fach war alles Mögliche aufgestapelt, Büchsen, Flaschen, Pakete und Tüten. Woher diese stammten, war leicht zu erraten. Annie hatte sich aus den reichen Beständen der Familie Hudson eingedeckt und gab die Dinge, so weit sie sie nicht verkaufte, an ihre, bestimmt vielköpfige Familie weiter.
In der Kommode lagen, sorgfältig gebügelt und gestapelt, Taschentücher und Wäschestücke. Wir machten uns daran, diese systematisch aus- und wieder einzuräumen. Zuerst schien es, als ob wir uns umsonst Arbeit gemacht hätten, aber dann stieß ich ganz am Boden unter den Hemden auf ein kleines, in Seidenpapier gewickeltes Paket, und dieses Paket enthielt eine Brillantnadel, die Margret am Vorabend getragen hatte. Daneben lagen zusammengefaltet verschiedene Geldscheine im Gesamtwert von 120 Dollar.
»Das verdammte Frauenzimmer«, brummte Phil, und dann suchten wir weiter.
Im Bett, unter der Matratze, machten wir den nächsten Fund. Es war ein Sparbuch mit einem Guthaben von insgesamt 2500 Dollar, von denen 1500 innerhalb der letzten zwei Monate eingezahlt worden waren.
»Jetzt wissen wir auch, wo Margrets Geld hingegangen ist«, sagte Phil. »Ich wette, dass diese Annie das Mädchen erpresst hat.«
»Und außerdem muss sie gesehen haben, was heute Nacht dort drüben geschehen ist. Sie muss den Mord beobachtet und danach die Nadel gestohlen haben.«
»Wenn sie nicht selbst das Mädchen umgebracht hat«, sagte Phil.
Bevor ich antworten konnte, hörte ich Schritte auf der Treppe. Wir behielten die Tür im Auge und warteten.
Und dann erschien Annie. Sie erstarrte, machte eine Bewegung, als ob sie die Flucht ergreifen wollte, besann sich aber und trat ein.
»Was suchen Sie hier in meinem Zimmer?«, keifte sie. »Wenn Sie nicht augenblicklich machen, dass Sie rauskommen, so rufe ich den Lieutenant herüber.«
»Spielen Sie sich nicht auf«, sagte ich böse, packte sie am Arm und zog sie herein. »Um klarzustellen, wer wir sind. Bitte, sehen Sie sich das an.«
Sie glotzte auf unsere Ausweise und den goldenen Stern und wurde leichenblass.
»Ich weiß von nichts«, sagte sie weinerlich. »Ich habe dem Lieutenant alles gesagt.«
»Auch, dass Sie Ihre Herrschaft aufs Übelste bestohlen haben?« Ich machte die Schranktür auf und deutete auf die Vorräte. »Das ist aber noch das Wenigste. Wie kommen Sie an diese Nadel?«
»Sie gehört mir«, behauptete sie kalt.
»Bis gestern Abend aber war es Margrets Eigentum. Sie trug sie hoch um halb eins, als wir weggingen.«
»Das ist nicht wahr«, schrie sie. »Das ist eine Lüge. Sie verlor die Nadel, als sie mit dem Kerl im Garten war. Ich fand sie und nahm sie
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