0153 - Sie nannten sich Löwen und Tiger
verzichteten auch darauf, den alten Narren zu befragen. Lieutenant Crosswing versprach, uns zu benachrichtigen, sobald es etwas von Bedeutung gäbe. Wir verabredeten, dass wir so schnell wie möglich zum Polizeihauptquartier kämen, um uns mit ihm zusammenzusetzen. Zuerst aber hatten auch wir noch einiges zu tun.
***
Ich nahm Phil mit bis zum Grand Central Terminal, wo er sich ein Taxi nahm, und fuhr dann selbst zur 79. Straße East, östlich des Central Park, wo ein paar superelegante Appartementhäuser stehen, deren Wohnungen nur für Millionäre erschwinglich sind. Dort wohnte Mister Ben Forrester.
Es war zwar schon fast Mittag, aber ich hatte -mich nicht getäuscht. Mister Forrester lag noch im Bett und war entrüstet darüber, dass ich den Finger nicht eher von der Klingel nahm, bis er sich meldete.
»Was ist denn los? Kann man denn nicht mal mehr in Ruhe schlafen?«, schimpfte er hinter der verschlossenen Tür.
Ich hatte keine Lust, mich auf Verhandlungen einzulassen.
»Polizei. Öffnen Sie sofort!«, sagte ich.
Von drinnen erschollen ein paar unartikulierte Laute, und dann wurde der Riegel zurückgeschoben.
Der Schauspieler trug einen purpurfarbenen Morgenmantel über seinem mit chinesischen Schriftzeichen bedruckten Pyjama. Trotzdem war er in seiner augenblicklichen Verfassung alles andere als schön. Die Haare waren zerzaust, die Wangen mit Stoppeln bedeckt, und unter den Augen hingen schwere Tränensäcke. Als er mich erkannte, wollte er aufsässig werden, und so musste ich meinen Ausweis zücken.
»Was soll das heißen?«, maulte er. »Ich habe nichts verbrochen, am wenigsten etwas, was geeignet wäre, mir das FBI auf den Hals zu hetzen.«
Zuerst machte ich es mir mal bequem und steckte eine Zigarette an.
»Margret Hudson ist heute Nacht ermordet worden«, sagte ich kalt.
Ich beobachtete ihn scharf. In seinen Zügen wechselten die verschiedensten Empfingen miteinander ab. Zuerst war es Überraschung, dann Erschrecken, Entsetzen und zuletzt nackte Furcht. Bevor er eine Antwort gab, griff er nach einer Flasche mit dem Aufdruck Gin, setzte sie kurzerhand an den Mund und schluckte.
Die Farbe kehrte in sein Gesicht zurück, und dann endlich sagte er:
»Margret! Wenn es nicht gerade ein G-man wäre, der mir das mitteilt, so würde ich glauben, es sei ein schlechter Scherz. Wer, um Gottes Willen, soll denn das Mädchen ermordet haben? Sie hat doch niemandem etwas getan?«
»Ihnen jedenfalls hat sie gestern Abend eine Ohrfeige gegeben.«
»Aber das ist doch lächerlich. Sie glauben doch nicht, dass ich sie deshalb umgebracht hätte!«
»Natürlich nicht, aber Sie schienen sie doch recht gut zu kennen, und es wäre möglich, dass Sie uns bei der Suche nach dem Mörder helfen könnten. Sagte sie vielleicht im Laufe des Gesprächs, sie fürchte sich vor jemanden?«
Er zog die Brauen zusammen, als ob er sich Mühe gäbe, nachzudenken. Dann griff er mit zitternden Händen nach einer Zigarette.
»Der Teufel hole den Kerl, der das getan hat! Ich könnte ihn mit eigenen Händen die Kehle zudrücken.«
Das klang sehr echt und aufrichtig, aber schließlich war Forrester ein anerkannt guter Schauspieler.
»Dazu müssen wir den Burschen erst haben«, meinte ich. »Beantworten Sie bitte meine Frage!«
»Gesagt hat sie nie etwas, aber wenn sie vor jemanden Angst hatte, dann war es dieser ekelhafte Mexikaner, der ihr nachstieg und über den sie geheimnisvolle Andeutungen machte. Ich hatte den Eindruck, dass beide früher miteinander zu tun gehabt haben, bis Margret dann aber Schluss machte. Schwören kann ich das jedoch nicht.«
»Waren Sie jemals in Margret Hudsons Zimmer?«, fragte ich weiter.
Er schüttelte den Kopf.
»In Margrets Zimmer! Sie hätte mich schön hinausgeworfen. Sie hatte mir nur versprochen, mich in den nächsten Tagen in meinem Sommerhaus auf Long Island zu besuchen, aber ich bezweifle, dass sie das nach dem gestrigen Vorfall getan hätte. Sie war ein merkwürdiges Mädchen. Ich wurde niemals ganz klug aus ihr. Manchmal glaubte ich, sie sei wirklich genauso verliebt in mich wie ich in sie, und dann wieder konnte sie einfach abstoßend sein.«
»Vielleicht hatte sie Grund dazu«, meinte ich ironisch. »Ihr Benehmen gestern Abend wenigstens war nicht gerade das, was man von einem Gentleman erwarten sollte.«
»Sie reden, wie Sie es verstehen, Cotton«, knurrte er. »Wenn sie nicht geküsst werden wollte, warum beschwatzte sie mich dann, einen Mondscheinspaziergang mit ihr zu machen?
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