0155 - Gefangen im Horror-Haus
Richtung. Er blickte direkt hinein in das augenlose, verzerrte Gesicht.
Blind! dachte er bestürzt. So blind wie der Alte, der Wahnsinnige, der mir vom Hans des Schreckens erzählte.
Wer das Grauen nicht sieht, kann auch nicht in seinen Bann geraten! Hier, im Innern des Grundstücks, schien sich dieser Spruch nicht zu bewahrheiten.
Lee Horvath nahm sich zusammen und stieg weiter empor. Und je näher er dem Portal kam, desto schlimmer wurde es. Der Wind heulte sein grausiges Lied. Er umfauchte die Statuen, rüttelte an ihnen. Die Frauengestalten schienen zu weinen und zu klagen.
Es war die Hölle für Horvath, die eiskalte, erschreckende, peinigende Hölle!
Bis er das Portal erreichte und die Hand nach dem Öffner ausstreckte. Schlagartig verstummte der Wind. Die plötzliche Lautlosigkeit war noch schlimmer. Eine Wolke schob sich vor das Antlitz des Mondes, der inzwischen aufgestiegen war und über die Umgrenzungsmauer hereinschaute.
Die schwarze Wolke war auf einmal überall. Sie warf einen abgrundtiefen Schatten auf alles. Die Marmorgestalten waren nur noch schimmernde Flecken in der Finsternis. Die Straßenlampen schienen erloschen zu sein.
Lee Horvaths Rechte erreichte den Türknauf. Kaltes Metall, das sich im nächsten Moment erwärmte. Es fühlte sich an wie ein fremdartiges Tier, und Horvath hatte den grotesken Kopf in der Hand. Er zerrte daran. Das Portal gab nicht nach. Es klapperte nur leise.
Angewidert ließ Horvath los. Er wußte, links neben der Tür gab es eine zweite Klingel. Seine Finger tasteten. Ergebnislos. Da war nichts, nur glattes Mauerwerk, das sich ebenfalls warm anfühlte.
Als würde das Gebäude leben!
Ein unnatürliches, bestürzendes Leben - gefährlich und grausam zugleich.
»Belial!« knurrte Horvath. »Das ist dein Heim: die Hölle!«
Seine Worte fanden leichten Widerhall.
Horvath suchte weiter. Er fand keine Klingel. Hatte man sie entfernt?
Er wandte sich der anderen Seite zu. Dort ragte ein kurzer Knauf aus dem Stein. Horvath konnte ihn in der Dunkelheit nicht sehen. Er zog daran und erwartete unwillkürlich einen gellenden Schmerzensschrei, denn das Ding fühlte sich an wie der Schwanz eines Fabeltieres.
Der Schrei blieb aus. Im Inneren des Hauses dröhnte eine dumpfe Glocke.
Horvath ließ die Hand sinken. Er überlegte.
Schritte hinter der Tür - dumpf widerhallend wie in einer großen, leeren Halle.
Horvath erinnerte sich an sein Feuerzeug, kramte es hervor und ließ es schnappen. Die unruhige, zitternde Flamme warf fahlen Schein gegen die Tür. Zum ersten Mal fiel ihm auf, daß das Holz mit Verschnörkelungen versehen war. Sie ergaben keinen Sinn, aber wenn man den irren Linien folgte, spürte man Übelkeit, einen Brechreiz.
Horvath löste sich davon und hielt das Feuerzeug nach links.
Da war die Klingel. Wieso hatte er sie nicht ertastet?
Nach rechts. Der Knauf fehlte. Die Wand war glatt und fugenlos.
Die Schritte erreichten die Tür. Sie klangen, als würde sich ein Riese nähern.
Schlüssel klirrten. Es knackte im Türschloß.
Und dann schwang einer der Flügel nach innen. Dahinter war gähnende Finsternis. Ein Schatten schälte sich daraus, wuchs direkt vor Horvath hervor.
Lee Horvath fuhr unwillkürlich zurück. Er sah nur den Schatten, und es kostete unendliche Mühe, das brennende Feuerzeug zu heben. Horvath wollte das Gesicht erkennen.
Die Gestalt war in einen bodenlangen Umhang gekleidet. Den Kopf bedeckte eine Kapuze.
»Doug Langton!« entfuhr es Horvath.
Er war es leibhaftig! Doug Langton, der einstige Freund, jetzt sein Todfeind. Er stand direkt vor ihm.
»Du Schwein!« sagte Lee Horvath haßerfüllt. »Du verdammtes Schwein! Du hast…«
Die Gestalt blieb regungslos stehen. Die Augen blickten starr. In ihnen spiegelte sich die Feuerzeugflamme zweifach wider.
Horvath unterbrach sich und hielt die Flamme näher.
Da erst bemerkte er, daß dieses Gesicht durchsichtig war, dahinter schimmerte - ein blanker Totenschädel!
Die Gestalt hob einen Arm. Aus dem Ärmel ragte eine Knochenhand, die die Kapuze zurückstreifte.
Das Gesicht verblaßte mehr und mehr. Horvath sah nur noch diesen grauenhaften Schädel mit den Augenhöhlen, in denen das Böse nistete.
»Du bist spät gekommen, mein Freund!« grollte das Monster. »Viele Jahre mußten verstreichen.«
»Zehn!« stieß Horvath hervor. »Ich bin hier, um mich an dir zu rächen!«
Das Monster lachte grollend.
»Rache? Du bist zu spät, Lee Horvath, mein Freund!«
»Es ist nie zu
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