0156 - Perlen, Gangster, Menschenhaie
kommen.«
Er kreuzte seine Arme auf der Brust und sah mich bittend an. Ich schüttelte den Kopf: »Wir wollen dich nicht töten. Ich gebe dir mein Wort.«
»Du willst mir die Frist nicht geben, und ich darf nicht ungehorsam sein, denn ihr habt den Erleuchteten gefangen. Ich gehe mit dir.«
Er wandte sich den anderen Alten zu und sagte einige wenige Worte, die wir nicht verstanden. Dann trat er vor und sah uns fragend an. Wir gingen einfach ein Stück des Weges zurück, den wir gekommen waren, dann setzte ich mich nieder und bedeutete dem Alten, dass er es auch tun sollte. Er gehorchte schweigend.
»Wie heißt du?«, fragte ich.
»Too-an-che«, antwortete er, indem er die einzelnen Silben deutlich trennte.
»Höre, Too-an-che! Vor ein paar Wochen hat ein junger Mann diese Insel verlassen. In einem kleinen Boot, das dem Sturm nicht gewachsen war, in den er geriet. Ein amerikanisches Kriegsschiff nahm ihn an Bord, als er schon völlig bewusstlos war. Kannst du dir denken, von wem ich spreche?«
Der Alte war bleich geworden. Er senkte den Kopf und sagte: »Die Götter haben uns verlassen. Also auch das wisst ihr! Herr, strafe uns nicht zu hart! Töte mich, denn sieh, es war mein Plan, dass einer der Männer versuchen sollte, Hilfe zu holen. Es war ganz allein mein Plan, Herr! Töte mich, aber strafe nicht Unschuldige!«
Bei seinen letzten Worten hatte er sich vor mich hingekniet und den Kopf so weit vorgebeugt, dass seine Stirn den Boden berührte. Ich hob ihn an den Schultern hoch und drückte ihn sanft in eine sitzende Stellung zurück.
»Du sollst dich nicht vor mir erniedrigen, Too-an-che«, sagte ich ernst. »Vor den Göttern sind alle Menschen gleich, und nur vor ihnen soll man knien. Ich gehöre nicht zu euren Feinden!«
Er runzelte die Stirn und glaubte mir ganz offensichtlich kein Wort, konnte nur noch nicht begreifen, was ich mit dem Theater, das ich seiner Meinung nach spielte, eigentlich wollte.
»Ich habe dir gesagt, dass euer Gesandter auf ein amerikanisches Kriegsschiff gelangte. Das nahm ihn mit in unsere Heimat. Kannst du mir sagen, wen er dort zu sprechen wünschte?«
»Das FBI«, sagte der Alte, als wäre es die natürlichste Sache der Welt.
»Was ist das?«
»Die Polizei der Amerikaner. Es sind starke Männer, die besser schießen und besser denken als jeder andere. Wir haben das erlebt. Als die Weißen einen großen Krieg kämpften, waren amerikanische Soldaten hier. Später kamen drei Männer vom FBI und blieben ein paar Tage hier. Als sie wieder gingen, nahmen sie zwei Soldaten mit.«
»Warum?«
»Sie hatten eine unserer Frauen überfallen und getötet, Herr. Niemand wusste, wer es getan hatte, aber die Männer vom FBI erfuhren es schon nach ein paar Tagen.«
Ich wusste, dass während des Krieges das FBI überall dort eingeschaltet wurde, wo Kapitalverbrechen auf Regierungsgebiet begangen worden waren. Sogar wenn die Täter vermutlich zu den Soldaten gehörten, hatte das FBI den Fall bearbeitet und zwar in Gemeinschaft mit der Militärpolizei. Dass man allerdings sogar bis nach Jorez gegangen war, überraschte mich ein wenig.
»Kannst du die amerikanische Schrift lesen, Too-an-che?«
»Nein, Herr.«
»Schade. Sonst hätte ich dir zeigen können, dass mein Freund und ich Männer des FBI sind. Unsere Regierung hat uns geschickt, nachdem euer Gesandter, kurz bevor er starb, uns von euch und den weißen Männern erzählt hat, die euren Häuptling gefangen haben.«
Er sah uns an. In seinem Gesicht kämpften Hoffnung und Misstrauen. Ich konnte es nicht ändern, denn da er nicht lesen konnte, war es nicht möglich, unsere amtliche Eigenschaft zu beweisen.
»Hör zu, Too-an-che!«, fuhr ich fort. »Wir sind gekommen, um euch zu helfen. Aber noch können wir nicht handeln. Solange Flint mit seinen Männern euren Häuptling hat, sind uns die Hände gebunden. Wir werden deshalb bei Flint mitmachen. Es wird uns schon gelingen, herauszufinden, wo er den Häuptling verborgen hat. Sobald wir das wissen, versuchen wir, ihn zu befreien. Erst wenn uns das gelungen ist, können wir Flint direkt angreifen. Deshalb müsst ihr noch ein paar Tage für die Weißen tauchen. Wir geben euch ein Zeichen, sobald wir den Häuptling befreit haben. Aber schweig darüber! Vielleicht gibt es bei euch Verräter!«
Wir standen auf. Auch der Alte erhob sich zögernd.
»Wir müssen weiter, sonst schöpft Flint Verdacht, wenn wir zu lange ausbleiben«, sagte ich abschließend. »Schweige, Too-an-che! Und hoffe
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