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016 - Herrin der Woelfe

016 - Herrin der Woelfe

Titel: 016 - Herrin der Woelfe Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Hugh Walker
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Nicht ich werde satt. Ich – füttere etwas anderes in mir.«
    Interessiert lehnt er sich vor. »Beschreiben Sie mir den Vorgang dieses Fütterns.«
    »Ich sehe ein geeignetes Opfer.«
    »Geeignet? Was meinen Sie damit?«
    »Eines, das allein ist.«
    »Und schwächer?«
    Sie schüttelte den Kopf. »Ich bin immer stärker. Ich nähere mich ihm und springe es an. Ich beiße ihm die Kehle durch.«
    »Es wehrt sich nicht?«
    »Es hat keine Zeit, weder zur Gegenwehr noch zu einem Schrei. Es geschieht mit einem Biss.«
    Er hob abwehrend die Arme. »Sie mögen gute Zähne haben, aber ich glaube nicht, dass es Ihnen gelingt, einen Menschen mit einem Biss zu erledigen.«
    »Oh!« sagte sie und schauderte. »Ich vergaß das Wichtigste.
    In diesem Augenblick verwandle ich mich in einen Wolf – in einen weißen Wolf.«
    Er starre sie an, und schließlich sagte er: »Natürlich. Aber es wird schwer sein, mich davon zu überzeugen, Fräulein Lemar.«
    Sie nickte zustimmend. »Ich muss es versuchen.«
    »Um des Beweises willen«, schlug er vor, »gehen wir davon aus, dass Sie sich tatsächlich in einen Wolf verwandeln. Wie geht es weiter?«
    Sie dachte nach. »Das ist sehr schwer in Worte zu fassen, denn in jenem Moment fühle ich nicht menschlich. Ich spüre nur den Hunger. Ich kann nicht denken. Ich verstehe nicht, was vorgeht. Ich werde nur von diesem – monströsen Verlangen getrieben. Es ist, als stünde ich irgendwie im Hintergrund, ohne teilzunehmen. Ich sehe mich deutlich als Wolf – das weiße Fell, das gleich darauf voll Blut ist, die Pfoten und die Krallen.
    Und ich höre, wie ich Laute von mir gebe, die nicht menschlich sein können. Es ist das Knurren einer Bestie.« Als er keine Antwort gab, fuhr sie fort: »Und danach schwindet dieses Hungergefühl. Ich fange wieder an zu denken. Ich erwache wie aus einer Starre – und sehe, dass ich wieder ich selbst bin – voll Blut. Und vor mir liegt eine entsetzlich zugerichtete Leiche.«
    »Die Sie dann immer spurlos verschwinden lassen«, fiel er ihr ins Wort.
    »Bisher ist mir das Gott sei Dank immer gelungen.«
    »Wohin schaffen Sie die Leichen?«
    »Ich weiß es nicht«, erwiderte sie wahrheitsgetreu. »Bisher hatte ich keine Erinnerung an alles, nur diese Alpträume. Erst auf Woiews Anwesen erlebte ich zum ersten Mal den Vorgang voll bewusst – und vergaß nicht wieder.«
    Er sah überrascht auf. »Wollen Sie sagen, dass Sie Woiew umgebracht und dann den Hof angezündet haben, um die Spuren zu verwischen?«
    »Nein, nicht Woiew.«
    »Den Salzburger also.« Er schüttelte den Kopf. »Sie leiden immer noch unter demselben Schuldkomplex. Damals im Zoo sind Sie der fixen Idee verfallen, es wäre Ihre Schuld gewesen.
    Sie haben sich eingeredet, Sie hätten irgendetwas getan, das dazu beigetragen hat, dass der Wolf das Mädchen anfiel. Sie zum Gehege gestoßen oder …«
    Thania schüttelte müde den Kopf. »Es gab keine Wölfe in diesem Zoo. Nein, Doktor. Ich weiß, was dort geschehen ist.
    Herr Woiew hat es mir erklärt. Und da ist noch ein interessanter Punkt: es war ein Vollmondabend.«
    »Zufall, Fräulein Lemar. Es sind immer die Zufälle, die den Gedanken an das Magische in uns wecken. Sie sind die wahren Dämonen, die uns beherrschen.«
    »Das mag sein«, stimmte sie zu. »Ich glaube auch nicht an Geister und Dämonen. Ich glaube nur an das, was ich sehe und fühle. Ich sah mein Fell und fühlte den Rachen und die Fänge und den warmen, zuckenden Hals.«
    Sie ballte zitternd die Hände, so frisch waren die Erinnerungen.
    Der Psychiater musterte sie nachdenklich. »Wissen Sie, was Lykanthropie ist?«
    »Ja, die fachliche Bezeichnung für das Werwolfphänomen.«
    »Für die Legende. Aber wir Ärzte verstehen darunter auch noch etwas anderes: eine Phobie, eine Wahnvorstellung. Sie ist nicht sehr häufig, aber sie kommt gelegentlich vor.
    Lykanthropische Menschen leiden unter der akuten Vorstellung, dass sie sich wahrhaftig in einen Wolf verwandeln, dass ihnen ein Fell am Körper wächst, dass ihre Hände zu Pfoten werden. Das ist meist ein langsamer Prozess, der Monate oder Jahre dauert. Ihr Fall liegt natürlich anders. Ihre Mondsucht spielt mit eine Rolle. Aber alles deutet darauf hin, dass Sie einer Vorstellung unterliegen …«
    »Oder dass es etwas so Unglaubliches wie Werwölfe wirklich gibt«, ergänzte sie.
    Er erwiderte nichts auf diese Bemerkung, sondern blätterte in einem Kalender.
    Schließlich sagte er: »Die beste Therapie ist die eigene Erkenntnis. Sie

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