0161 - Medusas Rache
passierte es.
Obwohl sich die Plattform bei einer Leichenverbrennung langsam in die Tiefe senkte, geschah dies bei mir nicht.
Sie kippte plötzlich weg.
Beide wurden wir überrascht.
Lady Sarah schrie auf. Mir wurde der Boden unter den Füßen weggezogen, ich verlor den Halt und rutschte die Schräge hinunter.
Ich wuchtete meinen Körper vor, machte die Arme lang und versuchte, den Rand der Plattform zu fassen.
Es gelang mir fast.
Meine Finger berührten bereits das Metall, als ich einen letzten Schwung bekam und in die Tiefe fiel…
***
Der Trauerzug bewegte sich über den Friedhof.
Er nahm zuerst einen der Hauptwege. Der Pfarrer und zwei Meßdiener schritten voran. Die Jungen trugen Kreuze. Hinter dem Sarg schritten die nächsten Angehörigen des Toten.
Bandone hatte vier Kinder und eine trauernde Witwe hinterlassen.
Eine kleine verhärmt aussehende Frau, die ununterbrochen weinte und ihr Gesicht unter einem schwarzen Schleier verborgen hatte.
Die Kinder weinten nicht.
Ihnen hatte ihr Vater nichts bedeutet. Sie waren alle erwachsen, wohnten gar nicht in London und hatten sämtliche Brücken zu ihm abgebrochen, als sie erfuhren, bei wem und mit welchen Methoden Bandone senior sein Geld verdiente.
Es war Ehrensache, daß sich auch die Spitze der Londoner Mafia versammelt hatte.
Allen voran Logan Costello.
Der grauhaarige Capo trug einen schwarzen Anzug. In seinem Zylinder sah er irgendwie lächerlich aus, aber jeder, der ihn kannte, würde sich hüten zu lachen. Sechs Wochen Aufenthalt in einem Krankenhaus waren das mindeste, was ihm blühte.
Überhaupt nicht lächerlich wirkten die sechs Leibwächter, die Costello mitgenommen hatte. Hochgewachsene Typen, die geladene Revolver unter den Achseln trugen, und bereit waren, sofort zu schießen. Die Männer hatten ihre Augen überall, denn nicht zum erstenmal war ein Capo bei einer Beerdigung erschossen worden. Es gab da einige Beispiele aus Italien und den Staaten.
Auch Costello hatte Neider. Allerdings hatte er die Konkurrenten immer klein gehalten, zudem traute sich auch niemand so recht an ihn heran. Er war eben zu mächtig.
Auch hinter Costello und den Leibwächtern schritten Mafiosi.
Männer, die Bandone gut gekannt hatten. Seine Angestellten und Mitarbeiter.
Eigentlich war es ein Hohn, daß der Verstorbene ein christliches Begräbnis bekam.
Wohl fühlte der Capo sich nicht. Er haßte Beerdigungen, die langen Märsche zum Grab, das Schweigen, nur durch Schluchzen unterbrochen, die ganze Atmosphäre auf dem Friedhof, der typische Geruch, all das machte ihn nervös. Und nicht zuletzt auch die Nähe des Todes. Sie erinnerte ihn immer daran, wie nahe er selbst einem Ableben war, denn auch durch Leibwächter konnte man sich nicht perfekt schützen. Das hatten zuletzt zahlreiche Attentate bewiesen.
Sogar auf den amerikanischen Präsidenten war geschossen worden, und der wurde nun wirklich ausgezeichnet abgeschirmt. Nachdem Costello die Nachricht gehört hatte, ließ er seine persönliche Garde aufstocken.
Jetzt bewachten ihn sechs Leute.
Schweigend schritt der Trauerzug voran. Menschen, die ihnen begegneten, blieben in stiller Andacht stehen und warteten, bis Sarg und Menschen vorbei waren.
Über London spannte sich ein herrlicher Frühlingshimmel. Wenn die Sonne auch nicht so klar hervorkam, weil doch eine Dunstglocke schwer zu durchdringen war.
Eine Gruft hatte Bandone nicht bekommen. Er sollte ganz normal beigesetzt werden, auf dem neuen Teil des Friedhofs, wo die Gräber dicht an dicht lagen.
Hier würde die letzte Ruhestätte des Mafioso sein.
War der Trauerzug zuerst durch ein parkähnliches Areal geschritten, so änderte sich das rasch.
Vor ihnen lag ein großes Gelände, wo sich Grab an Grab reihte.
Ein großer Hauptweg durchschnitt das Gelände. Weit dahinter befand sich ein Zaun. Jenseits davon schimmerten die Dächer von drei Gewächshäusern, die zu einer Gärtnerei gehörten.
Jeweils drei Grabreihen lagen nebeneinander, bevor ein Weg begann. Er lief im rechten Winkel zum Hauptweg. Es war die letzte Beerdigung an diesem Tag, die Leibwächter hatten freie Sicht, und sie bemerkten in der Tat nichts Ungewöhnliches.
Bald schritten die begleitenden Männer und Frauen über Lehmboden, dann über Planken, als sie den Rest der Strecke gingen und sich vor dem Grab versammelten.
Die Kränze lagen schon dort.
Es war eine wahre Flut. Wie immer bei großen Mafiabeerdigungen hatte damit niemand gespart. Schließlich waren die Kränze der
Weitere Kostenlose Bücher