0161 - Zamorras Sarg
brachte sie außer Reichweite. Dann riß sie beide Fensterflügel auf, um kühle Frischluft hereinzulassen. Zamorra brabbelte irgendwelche ostindischen Schimpfwörter, wälzte sich unruhig hin und her und öffnete schließlich die Lider. Sofort schloß er sie wieder. »Du meine Güte, ist das hier hell…«
»Na, so hell ist es hier aber auch nicht«, wandte Nicole ein. Zamorra gähnte, reckte sich und setzte sich dann auf. Benommen schüttelte er den Kopf.
»Was ist denn heute los mit dir?« fragte Nicole und kam zu ihm. »Du reagierst wie eine Katze - langsam und nochmals langsam!« Sie küßte ihn auf die Stirn.
»Es muß daran liegen, daß ich erst in den frühen Morgenstunden einschlafen konnte«, murmelte er undeutlich und sah auf die Uhr. »Oh, du lieber Himmel. So spät schon?«
Er richtete sich auf und schwankte fast wie ein Betrunkener. »Ich konnte nicht einschlafen«, sagte er. »Aber trotzdem, irgendwie komisch ist es schon. Wenn ich sonst mal eine Nacht durchmache, bin ich morgens nicht so kaputt…« Er hüllte siçh umständlich in einen weißen Frotteemantel und wankte ins Bad.
Nicole nagte an ihrer Unterlippe. Irgendetwas schien mit Zamorra tatsächlich nicht zu stimmen, dafür kannte sie ihn zu genau. In ihr schlug etwas Alarm. Konnte es sein, daß er…?
Sie erinnerte sich, daß er unter dem Vampir gelegen hatte, als dieser von dem Amulett getroffen wurde. Hatte der es möglicherweise noch geschafft, seine Zähne in Zamorras Hals zu schlagen?
Sie entsann sich, daß Zamorra sich das Amulett nicht mehr umgehängt hatte. Auch jetzt trug er es nicht, hatte es irgendwo auf einen Tisch gelegt. Und sein langes Wachliegen in der Nacht und das mühevolle Aufstehen, die Müdigkeit…
Sollte…?
Nicole beschloß, der Sache auf den Grund zu gehen. Sie griff nach dem Amulett, hängte es sich selbst um den Hals und folgte Zamorra. Der kam gerade unter der Dusche hervor, malerisch in ein riesiges Badetuch gehüllt.
»Ich möchte mal deinen Hals sehen, mein Lieber«, sagte Nicole direkt.
***
Auch Bill Fleming geisterte schon seit einiger Zeit im Château herum. Er wartete darauf, daß Zamorra endlich erschien. In der Zwischenzeit inspizierte er die in der Nacht konstruierte Vampirfalle.
»Mist-Apparat«, brummte er. »Versager! Klar, der Vampir ist gekommen, bloß nicht in die Falle!« Er überlegte sich, ob er sie wieder zerlegen sollte, entschied sich dann aber dagegen. Vielleicht sollte er sich den Text noch einmal genau durchlesen. Es konnte sein, daß er etwas übersehen hatte. Mit dem Durchlesen war es allerdings ein wenig problematisch; das Buch lag in seinem Haus jenseits des Großen Teiches.
Immer wieder sah Bill auf seine Uhr. Er wußte, daß Zamorra zu den Spätaufstehern gehörte, aber so spät war auch für den Meister des Übersinnlichen ungewöhnlch.
»Na gut«, murmelte Bill schließlich. »Dann eben im Alleingang.« Er machte sich auf die Suche nach Nicole oder Raffael und entdeckte den Diener schließlich in einem der Zimmer. »Raffael, gibt es Zeichnungen vom Château? Unterlagen architektonischer Art. Der Baumeister wird ja wohl Aufzeichnungen hinterlassen haben.«
Raffael überlegte.
»Sir, ich weiß nicht, ob es Pläne gibt, aber wenn sie existieren, sind sie bstimmt im Archiv. Ich möchte allerdings nicht daran glauben, wenn Sie mir diese Bemerkung gestatten, weil Leonardo de Montagne ein eigenartiger Mann gewesen sein soll. Er ließ beispielsweise dem Architekten nach altorientalischer Weise die Hände abhacken, damit dieser kein zweites Schloß dieser Art mehr entwerfen konnte. Deshalb halte ich es durchaus für möglich, daß Leonardo auch die schriftlichen Aufzeichnungen vernichten ließ. Wir haben uns nie genau darum gekümmert.«
Bill Fleming nickte. »Danke, Raffael. Ich werde nachsehen. Ich kenne mich ja hier aus.«
Er suchte Zamorras Archiv auf, jene gewaltige Bücher- und Datensammlung, die längst aus den Nähten zu platzen drohte. Bill war schon einige Male hier aktiv gewesen und kannte sich mit Zamorras Datensystemen aus. Hin und wieder wurde der Historiker hier fündig, wenn die Daten Dinge betrafen, die in ferner Vergangenheit geschehen waren.
Also begann er zu suchen.
Er suchte die Planzeichnungen der Kellergewölbe…
***
»Hast du das Problem immer noch nicht überwunden?« fragte Zamorra bestürzt. »Oder hast du schon wieder schlecht geträumt?«
Nicole schüttelte den Kopf. »Ich machte mir nur meine Gedanken«, sagte sie, »und jetzt möchte ich
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