0161 - Zuletzt wimmern sie alle
dem sie standen.
Sieh an, dachte ich. Der ehrenwerte Stetson auf Abwegen. Na ja, es ist seine Sache. Ich kann es ihm nicht verbieten.
Ich fuhr weiter und hatte die beiden schnell wieder aus dem Gedächtnis verloren. Offen gestanden beschäftigte mich ein anderes Mädchen mehr als das, mit dem Stetson sein Geld unter die Leute brachte.
Mich interessierte das Mädchen, das mit Raila Sheers zusammen in einem Zimmer gewohnt hatte. Das Mädchen, dessen Kleider aus dem Zimmer verschwunden waren.
Das Mädchen, von dem es kein Foto in dem Zimmer gegeben hatte, während von Raila Sheers Dutzende von Bildern vorhanden waren.
Je länger ich darüber nachdachte, um so verdächtiger wurde die Angelegenheit. Es gibt keinen zivilisierten Menschen, der nicht ein paar Fotos von sich besitzt. Zufällige Momentaufnahmen kleiner Festlichkeiten, Bilder von Ausflügen mit Freunden oder sonstweichen anderen Gelegenheiten: ein paar Bilder hat jeder, und wenn es zwei überzählige Paßbilder sind.
Nur dieses mysteriöse Geschöpf, das mit Raila Sheers das Zimmer geteilt hatte, nur dieses Mädchen sollte nicht ein einziges Bild von sich besessen haben? Die Mordkommission hatte nur Bilder von Raila Sheers gefunden.
Damals hatten wir das nicht besonders ernst genommen. Aber hatte man vielleicht absichtlich alle anderen Bilder entfernt? Hatte dieses Mädchen vielleicht sogar gewußt, daß die Polizei kommen und alles durchsuchen würde - mit anderen Worten: Hatte dieses Mädchen etwas gewußt, daß Raila Sheers, die Zimmerfreundin, ermordet werden würde?
***
Ich hatte den Jaguar in die Garage gefahren und wollte ins Haus gehen. Es war schon bald drei Uhr, und ich mußte am nächsten Morgen wieder pünktlich im Office sein. Langsam fühlte ich die Müdigkeit in meinen Gliedern emporkriechen.
Mit der rechten Hand schob ich die Haustür auf. Von der Straße fiel ein wenig Licht herein. Ich blieb in der offenstehenden Tür stehen und suchte den Schalter für das Hauslicht.
»Ruhig stehenbleiben!« sagte eine leise Stimme in meinem Rücken. »Wir können Sie deutlich gegen die Straße hin sehen, Mister Cotton! Eine falsche Bewegung, und es wäre verdammt schade um so einen fähigen G-man!«
Ich stand und rührte mich nicht. Natürlich mußten sie mich gut sehen können. Sie standen ja im Dunkeln, ich aber in der offenen Haustür, und von draußen fiel der Lichtschein der nächsten Straßenlaterne herein, so daß ich für sie wahrscheinlich scharf abgegrenzt wie ein Schattenriß zu sehen war.
In meinem Rücken war auf einmal der Druck von zwei Pistolen. In der Höhe der kurzen Rippen, links und rechts je eine.
»Allerhand Aufwand«, sagte ich.
»Eine Kanone scheint Ihnen wohl nicht genug für mich?«
Ein leises Lachen war in meinem Rücken zu hören.
»Würden Sie die Güte haben, Ihre beiden Hände in Kopfhöhe gegen die Wand zu legen?«
Die Stimme war ausgesprochen freundlich. Nur der Sinn des Gesagten paßte mir gar nicht. Aber die beiden Pistolen in meinem Rücken gaben der Aufforderung eine enorme Gewichtigkeit.
»Na schön«, brummte ich. »Sie können sich den Rest sparen. Diese Tour kenne ich bestens. Alte FBI-Masche: Hände in Kopfhöhe gegen die Wand legen, dann zwei Schritte rückwärts gehen. So steht man schräg gegen die Wand gelehnt und würde mir der Stirn dagegenschlagen, wenn man so dumm wäre, die Hände für etwas anderes zu gebrauchen.«
»Bemerkenswert, Mister Cotton«, sagte die freundliche Stimme. »Trotz der vorgerückten Stunde verstehen Sie noch sehr schnell, um was es geht.«
Ich hatte inzwischen den Befehl ausgeführt. Jemand klopfte mich auf der rechten Seite ab, aber der Druck der beiden Pistolenmündungen wich auch dabei nicht eine Sekunde aus meinem Rücken.
Dann klopften sie meine linke Seite ab, und dabei fanden sie natürlich meinen Revolver. Eine Hand angelte ihn aus meiner Schulterhalfter heraus.
»Stoßen Sie sich von der Wand ab. Mister Cotton! Aber lassen Sie die Hände oben, wenn Sie noch ein bißchen gesund bleiben wollen.«
»Diese Absicht habe ich«, erwiderte ich und stieß mich zurück, so daß ich wieder in der Geraden stand.
»Wir werden Ihnen die Augen verbinden«, sagte die gleichbleibend freundliche Stimme in meinem Rücken. »Es würde mir sehr leid tun, wenn ich Sie erst mit einem Totschläger davon überzeugen müßte, daß Widerstand keinen Zweck hat.«
»Keine Angst«, knurrte ich. »Mein Schädel hat heute nacht schon einen prächtigen Bums einstecken müssen. Mir ist
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