0162 - Die Menschenfalle
packte seinen Arm und riß ihn von der tödlichen Krokodilschnauze weg. Haarscharf verfehlten die gefährlichen Zähne des geschuppten Tiers den Verwalter. Sie wischten nur wenige Millimeter an Nagalescos Schulter vorbei.
Es ergab sich, daß Joan in Nagalescos Armen landete. Er preßte sie an sich. »Ihre Nerven scheinen nicht die allerbesten zu sein«, sagte er lächelnd.
»Lassen Sie mich los.«
»Was hat Sie denn so maßlos erschreckt?« Er drehte sich um, ohne sie freizugeben. Da war nichts, was ihn hätte beunruhigen müssen.
Auch Joan stellte fest, daß der häßliche Krokodilsschädel wieder verschwunden war. Die Wand war wieder glatt und hart. Da, wo der Schädel des geschuppten Reptils durchgestoßen war, befand sich kein Loch.
Nagalesco mußte denken, daß sie nicht ganz richtig im Kopf war.
»Würden Sie mich bitte loslassen?« sagte sie ärgerlich.
»Erst sagen Sie mir, was Ihnen so große Angst gemacht hat.«
»Sie würden es mir ja doch nicht glauben.«
»Versuchen Sie es.«
»Es war ein Krokodil…«
»Ein echtes Krokodil? So eines, aus dem man Handtaschen macht?«
»Ich sagte, Sie würden mir nicht glauben.«
»Ein Krokodil wollte mich hinterrücks fressen?«
»Ja. Sein Schädel bohrte sich durch die Wand.«
Nick Nagalesco ließ Joan los. »Wo?« fragte er. »Hier?« Er klopfte mit den Knöcheln seiner Finger gegen die Wand. Sie war total hart.
»Oder hier?« Er klopfte an einer anderen Stelle. »Wie kann sich durch diese dicke Mauer ein Krokodilsschädel bohren?«
»Fragen Sie mich nicht, wie. Ich kann es Ihnen nicht erklären. Ich kann Ihnen nur sagen, daß es passiert ist, und Sie sollten es mir glauben.«
»Das fällt mir aber verdammt schwer. Ein Krokodil…«
»Dann lassen Sie’s eben bleiben!« sagte Joan Duxbury zornig.
»Nehmen Sie einfach zur Kenntnis, daß ich Ihnen das Leben gerettet habe.«
Er grinste breit. »Und warum haben Sie das getan?«
»Das frage ich mich auch. Ich finde Sie nämlich widerlich und penetrant.«
Er behielt sein Grinsen bei. Langsam kam er auf sie zu. »Du gefällst mir, wenn du wütend bist, Herzchen.«
»Nennen Sie mich nicht immer Herzchen!« fauchte sie ihn an.
»Und ich habe Ihnen nicht erlaubt, mich zu duzen!«
»Ich weiß, man duzt sich erst nach dem Kuß. Ich finde es riesig nett von dir, daß du dich so sehr um mich sorgst, Joan. Ich möchte dir meine Dankbarkeit beweisen. Laß mich dich küssen.« Er wartete nicht ihre Einwilligung ab, sondern packte sie fest, riß sie an sich und preßte seine Lippen auf ihren heißen Mund. Sie riß sich von ihm los, stieß ihn zurück und gab ihm eine schallende Ohrfeige.
Wut funkelte in ihren rehbraunen Augen. »Tun Sie das nicht noch mal!« zischte sie, wirbelte herum und stürmte aus dem Speisezimmer. Daß sie von diesem Moment an allein war, fiel ihr nicht sofort auf.
***
Wir standen vor der geschlossenen Tür. Eine weiche, warme Stimme drang an unser Ohr und wir hörten das Plätschern von Wasser.
»Hört sich an, als würde jemand ein Bad nehmen«, sagte Charles Chandler leise.
»Da wir Gentlemen sind und es sich offensichtlich um eine Dame handelt, dürfen wir da nicht so einfach hineinplatzen«, sagte ich.
»Eine Dame? Die hier nichts zu suchen hat! Vielleicht auch ein Geistwesen. Wieviel Rücksichtnahme ist da angebracht?«
»Es gehört sich, daß man anklopft«, sagte ich.
Und Chandler klopfte an die Tür. Schlagartig verstummte der Gesang. Aber niemand forderte uns auf, einzutreten. Kein Mensch fragte uns, wer wir waren oder was wir wollten. Stille herrschte mit einemmal. Grabesstille.
Der Professor warf mir einen ruhelosen Blick zu, und als ich nickte, griff er nach dem Türknauf und drehte ihn nach rechts. Es war nicht abgeschlossen. Die Tür ließ sich öffnen. Wir traten in einen leeren Raum. Auf dem Bett lag das Kleid einer Frau. Aus weißem Leinen. Ein einfaches Hemd war es eigentlich nur.
Ein Totenhemd!
Wir blickten uns aufmerksam um. Wo war der Spuk, der uns hier heraufgelockt hatte? »John!« Chandler wies auf eine offene Tür. Sie führte ins Bad. Mein Herz schlug mit einemmal schneller. Würden wir im Bad eine Tote finden? Eine lebende Tote? Die Lieder sang und im Wasser planschte?
Wir schlichen auf die Tür zu. Meine Nervenstränge strafften sich.
Die Tür war halb offen. Wir drückten sie weiter auf. An der Wand hing ein Kristallspiegel. Die Badewanne war voll mit Wasser. Jemand mußte es eingelassen haben. Der weibliche Zombie?
»John!« rief der Professor
Weitere Kostenlose Bücher