0164 - Ich und das Todeskarussell
morgen früh damit ab«, sagte ich zu Phil, als wir vor dem Haus hielten, in dem ich meine kleine Junggesellehwohnung habe.
»Okay, Jerry«, erwiderte mein Freund. »Brauchst du noch irgend etwas? Soll ich dir was zu essen machen?«
»Nicht nötig. Ich bin so müde, daß ich keinen Hunger mehr habe.«
»Gut. Dann bis morgen früh — halb zehn?«
»No, fünfzehn Minuten vor acht«, erwiderte ich.
»Warum?«
»Weil wir um acht im Stadtgefängnis sein werden, um mit Jane zu sprechen. Und wenn es sich eben einrichten läßt, versuchen wir vor der Begegnung mit Hold auch noch mit dieser Nachbarin zu sprechen, die Jane so schwer belastet hat. Vergiß nicht, daß wir nur vier Tage Urlaub haben. Und daß ein Tag davon schon herum ist.«
»Sicher, aber wir haben doch schon allerhand erreicht.«
»Täusche dich nur nicht, mein Alter. Bis jetzt haben wir noch nicht einmal den Schatten eines Beweises für Janes Unschuld, geschwiege denn eine Ahnung vom wirklichen Mörder. Alles, was passiert ist, kann ganz andere Zusammenhänge haben, als wir sie im Augenblick vermuten. No, Phil, schlafen können wir, wenn wir alles erledigt haben.«
»Du hast wahrscheinlich recht«, nickte Phil nachdenklich. »Ob Jane Lorren jetzt schlafen kann?«
Ich zuckte die Achseln. Es war eine müßige Frage. Kann einer schlafen, wenn er weiß, daß er hingerichtet werden soll?
***
Mein Kopf machte mir auch in der Nacht noch zu schaffen, bis ich aufstand, zwei Tabletten nahm und eine Flasche Bier austrank. Danach schlief ich ziemlich schnell ein, aber ich träumte wirres Zeug.
Ich sah Jane, wie sie den Gang zur Hinrichtungskammer entlanggeführt wurde. Sie sah mich an und wiederholte immer wieder einen Satz, den ich nicht verstehen konnte. Es war wie beim Fernsehen, wenn einer den Ton abgestellt hat. Immer und immer wieder bewegten sich ihre Lippen auf die gleiche Weise, ich gab mir verzweifelte Mühe, sie zu verstehen, aber das Bild blieb stumm. Dann verschwand Janes Gestalt in einem dichten Nebel, und dafür tauchte -auf einmal der Elektrische Stuhl vor mir auf, jenes entsetzliche Möbel mit seinen breiten Gurten, damit man den Delinquenten anschnallen kann. Riesengroß erschien dieser Stuhl, und jetzt saß die schöne Spanierin darauf. Sie sah mich mit ihrem maskenhaften Gesicht an und sagte:
»Ich bin doch unschuldig. Warum wollt ihr die kleine Jane hinrichten? Sie hat doch nichts getan?«
Eigenartigerweise sprach sie mit Janes Stimme. Im Hintergrund sah ich jemand an einen Hebel treten. Im gleichen Augenblick, als der Hebel heruntergezogen wurde, fuhr ich im Bett in die Höhe, schweißgebadet.
Ich sah auf die Uhr. Es war sechs Minuten nach vier. Erschöpft ließ ich mich zurückfallen und schloß die Augen. Ich war so wach, als hätte ich gerade erst zwölf Stunden tief und ruhig geschlafen.
Zwangsläufig fingen meine Gedanken . an, sich mit dem zu beschäftigen, was innerhalb der letzten vierundzwanzig Stunden geschehen war. Ich dachte daran, daß wir Jack Vandoom vor dem Gericht angesprochen hatten, wie er müde abgewinkt hatte und dann doch mit uns zu Joe gekommen war. Wir hatten mit Mister High wegen des Urlaubs telefoniert und uns dann verabschiedet.
Vandoom aber war in der Kneipe geblieben. Zum Henker, warum hatten wir es so genau genommen und waren ins Office zurückgekehrt, um ein bißchen Papierkrieg vor unserem kurzen Urlaub aufzuarbeiten? Wären wir doch bei Joe sitzen geblieben. Was hatte Jack-Vandoom hinsichtlich der Geschworenen geäußert, als er schon ein wenig betrunken war? Vielleicht hatte er sogar irgendeinen bestimmten Verdacht .wegen der vermuteten Bestechung? Es .war sehr gut möglich, daß Jack schon etwas ganz Bestimmtes aufgefallen war! So leicht äußert kein Anwalt, die Geschworenen wären bestochen gewesen. Und Jack schon gar nicht, der hatte sich überlegt, was er sagte.
Die Geschworenen bestochen! Irgendwann schlief ich mit diesem Gedanken wieder ein. Diesmal gab es keinen Traum, jedenfalls kann ich mich an keinen erinnern. Ich wurde plötzlich wach, weil meine Wohnungsklingel lang und anhaltend schrillte.
Zuerst glaubte ich, es wäre das Telefon, und beschloß im Halbschlaf, es bimmeln zu lassen. Aber das Telefon klingelt nicht ohne Unterbrechung.
Ich sah auf die Uhr. Es war fünfzehn Minuten vor acht. Ich mußte den Wecker überhört haben.
Well, ich entwickelte das Tempo, das jetzt angebracht war. Die Kopfschmerzen hatten zum Glück so nachgelassen, daß nur noch ein erträglicher Rest
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