0166 - Die Gangsterbraut
ganz anderes machen. Ich bringe dich zum Zug, kaufe dir eine Fahrkarte, und du fährst auf dem direkten Weg nach Chicago. Dort wird dich jemand an der Bahn abholen. Er wird dich unterbringen und beschäftigen. Du bleibst so lange dort, bis Gras über die ganze Geschichte gewachsen ist.«
»Was für eine Beschäftigung soll ich denn dort bekommen?«, stammelte sie.
»Das wirst du sehen. Jedenfalls eine, für die du geeignet bist.« Er lachte gemein.
»Und meine Sachen? Kann ich nicht nach Hause gehen und packen?«
»Dein Kram wird dir nachgeschickt. Du wirst jetzt zwei Briefe schreiben, den einen an die Firma Marsh & Brown. Hier hast du Papier und einen Füller. Ich diktiere dir. Los, schreib: Sehr geehrte Herren! Unvorhergesehene Umstände zwingen mich, meine Stellung mit sofortiger Wirkung aufzugeben. Eine Tante in Texas ist schwer erkrankt und braucht mich. Ich muss heute noch abfahren und kann mich deshalb nicht persönlich verabschieden. Mit der Bitte um Entschuldigung bin ich Ihre Und jetzt deinen Namen. Den zweiten Brief brauche ich nicht zu diktieren. Hast du die Miete für diesen Monat bezahlt?«
»Ja, aber bitte lassen Sie mich doch.«
»Halt die Schnauze. Du schreibst an deine Wirtin oder wer es sonst ist, dass du bittest, dem Überbringer dieses Briefes deine Sachen auszuhändigen. Das ist alles und jetzt los, oder soll ich nachhelfen?«
Er musste wohl die Hand gehoben haben, denn ich hörte sie »Nein!« schreien, und dann war es eine ganze Zeit lang still. Papier knisterte. Long lachte wieder und sagte: »Das ist alles. Hütte dich, den Versuch zu machen, unterwegs auszusteigen. Es fährt jemand mit, der auf dich achtgibt. Es gibt eine Menge Unfälle, an denen man plötzlich sterben kann. Hast du mich verstanden?«
Ihr »Ja«, war kaum vernehmbar.
»Und jetzt wasch dir das Gesicht. Mal dir die Lippen an und kämm dich. Wangenrot brauchst du ja heute nicht.«
Ich hörte das Wasser rauschen, Schritte und dann Longs Frage: »Bist du fertig?«
Jetzt war es Zeit. Ich stieß leise den Schlüssel ins Schloss und drehte ihn mit der linken Hand um, während ich mit der Rechten die Smith & Wesson zog…
***
Als ich ins Zimmer platzte, stieß Peggy einen Schrei aus, von dem ich nicht wusste, ob er Freude oder Schrecken ausdrücken sollte. Long war gerade im Begriff gewesen, seinen Mantel auszuziehen. Er ließ ihn fallen und fuhr nach der Hüfttasche. Ich hatte keine Lust, eine Schießerei zu veranstalten, und so holte ich aus und schlug mit der Smith & Wesson zu. Mr. Long war ein Schuft und außerdem ein wehleidiger Feigling.
Er quiekte und heulte wie ein verängstigtes Kaninchen. Seine Knie gaben nach, und dann lag er auf dem Teppich und weinte wie ein Säugling in hohen, lächerlichen Tönen.
Peggy machte Miene auszurücken, aber jetzt bekam ich sie zu fassen: »Bleib hier, Mädchen. Das ist das Klügste, was du tun kannst.«
Sie wandte mir ihr verschwollenes Gesicht zu und sagte: »Sie haben Recht. Das ist das Beste.« Dann machte sie eine kurze Pause. »Danke schön, Jerry.«
Ich wusste wohl, für was sie sich bedankte. Es war ihr genauso klar wie mir, dass ihre »Beschäftigung« in Chicago bestimmt kein Zuckerlecken gewesen wäre.
Long jaulte immer noch. Ich öffnete die Tür nach dem Gang und rief laut.
»He, Mamy!«
Die Alte kam mit unglaublicher Geschwindigkeit angewatschelt.
»Hast du Telefon?«
Mit einem scheuen Seitenblick auf den außer Gefecht gesetzten Gangster sagte sie.
»Ja, Mister.«
»Bleib hier, und wenn der Kerl versucht, auf die Beine zu kommen, dann schreist du. Wo ist der Apparat?«
»Auf dem Korridor, gegenüber der Eingangstür.«
Das Gespräch war im Nu erledigt. Ich gab Phil die Adresse und bat ihn, dass Nötige zu veranlassen. Dann fragte ich die Alte, ob sie einen Schnaps zur Hand habe. Sie erklärte mir weitschweifig, sie dürfe keine scharfen Sachen ausschenken, aber entschloss sich dann, mir eine halbe Flasche Gin, die sie noch vorrätig hatte, zu einem annehmbaren Preis zu verkaufen. Sie hatte sogar saubere Gläser. Ich schenkte einen für Peggy und einen für mich ein. Wir tranken schweigend, und ich füllte die Gläser wieder. Das brachte das Mädchen wieder halbwegs auf die Beine.
»Lass uns allein, Mam«, forderte ich die Negerin auf. »Ich tue dem Mädchen bestimmt nichts. Du brauchst keine Angst zu haben.«
Dann mahn ich mir Peggy vor. Jetzt plötzlich war ihre Erinnerung zurückgekommen. Ein Mann, auf den die Beschreibung von Bloody Ed passte,
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