0166 - Im Labyrinth von Eysal
..." Pohl unterbrach ihn mit einer wegwerfenden Handbewegung. „Ach was, lassen Sie doch den Leuten ihren Spaß. Wir sind doch keine Internatsschule!" Dann stieß er sich vom Rand des Schachts ab und ließ sich sinken. Warren blieb nichts anderes übrig, als ihm zu folgen. Über ihnen schloß sich die Öffnung in der Wand.
Loren Hynes hätte gern gewußt, wer jemals auf die verrückte Idee gekommen sein mochte, ein Labyrinth wie dieses anzulegen, und was er sich dabei gedacht hatte. Mehr jedoch war er mit dem Gedanken beschäftigt, daß er noch rund einen Kilometer abzugehen hatte, bevor er zur Zentrale zurückkehren konnte.
Der grelle Schein der Lampe leuchtete pendelnd vor ihm her.
Von Zeit zu Zeit drückte Loren mit mechanischer Handbewegung den Auslöseknopf der Mikrokamera, die er im Helm trug. Der Helm diente dem Zweck, seinen Träger gegen herabfallende Steine zu schützen. Man wußte nicht, welche Folgen die Explosion hier unten in den Gängen gehabt hatte. Die Struktur der Decken mochte sich gelockert haben. Und die Mikrobilder brauchte man, um eine Art Landkarte anzufertigen. Bislang waren die unterirdischen Tempelanlagen noch nicht einmal zur Hälfte bekannt. Loren glaubte nicht so recht daran, daß das Labyrinth, wenigstens zwanzigstöckig und mit einer unglaublich verwirrenden Vielfalt von Hallen, Gängen, Schächten, Stollen und Rampen, überhaupt etwas mit dem Tempel zu tun hatte. Oben im Tempel hatten einst die Pseudopriester des Bäalol-Kultes residiert, bis der gewaltige Gravitationsschock, von einer Maschine hier unten im Labyrinth ausgelöst, das riesige Gebäude zerstört hatte. Die Einrichtung des Tempels entsprach der Kulturstufe des Volkes der Salonen. Malkino hätte im Römischen Imperium der Claudischen Kaiser liegen können und Rom selbst mit seiner riesigen Anzahl von Arenen und der nicht endenwollenden Kette der Gladiatorenkämpfe den Rang streitig gemacht. Hier unten jedoch herrschte eine andere Zivilisation. Die Maschinen waren kompliziert und ohne Zweifel das Ereignis einer hochentwickelten Technologie. Schließlich hatte eine davon einen Gravitationsschock so unheimlicher Wucht ausgestoßen, daß er von empfindlichen Geräten noch in den fernsten Fernen der bekannten Galaxis hatte nachgewiesen werden können. Loren war sicher, daß es mit dem Labyrinth etwas ganz Besonderes auf sich hatte. Sonst hätte die Erde nicht eine Gruppe von fünfzig Wissenschaftlern fast vierzigtausend Lichtjahre weit nach Eysal geschickt. Aber Loren war nur ein kleines Rädchen im Getriebe der fünfzig, und die wichtigen Leute wie Warren oder Pohl hatten natürlich anderes zu tun, als ihm auf die Nase zu binden, wofür sie das hier hielten. Ein wenig mürrisch bog er um eine Gangecke und blieb nachdenklich stehen, als er im Schein seiner Lampen einen jener sogenannten Gangverteiler vor sich sah. Es war eine geräumige, kuppelförmige Halle, von der ein Dutzend Gänge nach allen möglichen Richtungen ausging. Loren betätigte ausgiebig den Auslöser der Kamera, während er den Kopf drehte, Um alles aufs Bild zu bekommen. Schließlich entschied er sich für den Gang, der dem seinen fast gegenüberlag. Er brachte eine Markierungsplakette an der Stelle an, an der er den Rückweg ohne Schwierigkeiten wiederfinden könnte. Dann durchquerte er den runden Raum und hielt an, um den Strahl der Lampe in das unbekannte Gangstück hineinzurichten. Das war seine letzte bewußte Handlung. Nach der Öde und Leere der Gänge, durch die er bisher gewandert war, traf ihn der unglaubliche Anblick mit der Wucht eines psychischen Schocks. Er schrie vor Entsetzen, als der Lichtkegel das Ding erfaßte, das nur ein paar Meter vor ihm stand. Er riß die Arme nach oben, als müsse er seinen Kopf schützen. Von Panik gepackt, wollte er sich umdrehen und davonlaufen. Doch sein Gehirn hatte bereits die Gewalt über den Körper verloren. Loren Hynes zitterte und zuckte ... und schrie, aber er rührte sich nicht vom Platz. Das Fremde gab ihm keine Chance, noch einmal zu sich zu kommen. Loren Hynes sah die Welt um sich herum in einer Flut weißer Helligkeit explodieren ... und dann war nichts mehr.
*
Gil Krueger saß vor dem Empfänger, ziemlich sicher, daß Loren sich im Laufe der nächsten Viertelstunde nicht melden würde, als der Schrei ertönte. Der Laut war so gräßlich, daß Gil einen Teil der Furcht mitempfand, die in ihm steckte. Mit einem kräftigen Ruck wirbelte er seinen Stuhl herum. Die Hand schoß nach vorne und
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