0169 - Der Teufel ohne Maske
stellte das Läutwerk ab und mußte mich zwingen, sofort das Bett zu verlassen. Ich wäre sonst wieder eingeschlafen.
Auch Phil machte nicht gerade einen wachen Eindruck, als wir uns zur üblichen Stunde im Office trafen.
»Ist dir nichts aufgefallen?« fragte er, als ich eintrat.
Ich schüttelte den Kopf. »Nein. Was denn?«
»Sowenig Betrieb im Haus.«
»Tatsächlich. Ob heute früh schon irgendwas los war?«
»Keine Ahnung.«
Wir steckten uns Zigaretten an und sahen zum Fenster hinaus. Nach einer Weile brummte ich: »Auf den Straßen ist auch nicht viel Verkehr. Viel weniger als sonst.«
Phil sah mich plötzlich durchdringend an. Auf einmal sprang er zum Telefon, nahm den Hörer und rief die Zentrale an. »Was haben wir heute für ein Datum?« fragte er.
Er nickte, sah auf den Kalender und brach in ein schallendes Gelächter aus. Die Tränen liefen ihm über die Wangen, und es dauerte reichlich lange, bis er wieder halbwegs zu sich kam.
»Heute ist Sonntag. Sonntag, mein Lieber! Wußtest du das? Ich nicht. Die ganze Woche habe ich nicht daran gedacht, was für ein Tag ist. Woher sollte ich dann wissen, daß heute Sonntag ist, he?«
Ich ließ mich auf meinen Stuhl fallen. Sonntag! Und dafür war ich Idiot um sieben aufgestanden! Obgleich wir doch sowieso erst um drei ins Bett gekommen waren!
Ich ging zur Tür, stülpte meinen Hut auf und sagte: »Wiedersehen, Phil.«
Er kam mir nach: »He, wo willst du hin?«
»Nach Hause. Schlafen, so lange mich ein gütiges Schicksal schlafen läßt.«
»Bring mich wenigstens vorher bei mir vorbei!«
»Weil du entdeckt hast, daß Sonntag ist. Komm!«
Eine Stunde später lag ich bereits wieder im Bett. Aber wie das so geht: Inzwischen war ich wach geworden. Jetzt war wieder das Einschlafen ein Problem. Meine Gedanken kehrten immer wieder zu der Explosion zurück. Bis ich es leid war. Ich stand auf, kippte im Handumdrehen vier Whisky und wartete auf die Wirkung. Sie kam — und ich schlief ein.
***
Am Sonntagabend setzte ich mich an den Tisch, nahm ein Blatt Papier und versuchte mich genau zu erinnern. Einen Namen nach dem anderen schrieb ich auf. Als ich den letzten schrieb, kam mir die Erleuchtung.
Natürlich! Es gab gar keine andere Erklärung als die, die jetzt auf dem Blatt stand. Warum hatten wir Narren nicht früher daran gedacht, nach dem üblichen Schema vorzugehen? Wenn man Verdächtige hat, schreibt man erst einmal ihre Namen säuberlich untereinander. Dann beginnt man, sich mit jedem einzeln zu beschäftigen.
Ich war sehr zufrieden, als ich mich zu Bett legte. Und zwar sehr früh, denn am nächsten Morgen wollte ich richtig ausgeschlafen sein.
Um neun Uhr saßen wir dann bei Mr. High im Zimmer. Er machte einen sorgenvollen Eindruck. »Ich kann es nicht fassen, daß ein G-man ein Verräter sein soll«, murmelte er.
Jetzt tat es mir leid, daß ich ihn nicht gleich gestern abend noch angerufen hatte, um ihm meine Entdeckung mitzuteilen.
»Es ist kein G-man, Chef«, sagte ich.
Einen Augenblick sahen beide mich über alle Maßen erstaunt an. Dann fragten sie fast gleichzeitig:
»Sie wissen, wer es ist? - Du weißt, wer es ist?«
Ich nickte. »Ja, Chef. Gedulden Sie sich bitte noch ein oder zwei Stunden! Ich hoffe, ich kann Ihnen dann den Mann bringen.«
»Ich will mich gern noch länger gedulden, wenn ich nur weiß, daß dieser fürchterliche Verdacht grundlos ist.«
»Er ist es, Chef«, tröstete ich ihn. »Komm, Phil! Sehen wir uns mal nach dem Halunken um, dem wir um Haaresbreite eine schnelle Himmelfahrt zu verdanken hatten!«
So schnell war mir Phil noch nie gefolgt. Ab und zu sah er mich forschend an, aber ich blieb schweigsam. Da er wußte, daß ich in solchen Fällen doch nicht rede, fragte er gar nicht erst.
Mit dem Jaguar fuhren wir nach Süden. »Ich muß aber vorher noch eine Kleinigkeit frühstücken«, sagte ich. »Tut mir leid, wenn ich deine Geduld noch länger strapaziere, aber ich habe heute morgen nichts gegessen. In der vergangenen Woche hatte ich nicht nur vergessen, welchen Tag wir jeweils hatten, sondern auch, daß man an Sonntagen nicht einkaufen kann. Mein Kühlschrank ist ausgeplündert wie nach einer Hungersnot.«
»Kannst du deinen Hunger nicht vielleicht doch noch eine Stunde bezähmen?« fragte Phil hoffnungsvoll. »Ich platze vor Neugierde!«
»Das wollen wir nicht hoffen«, erwiderte ich grinsend und stoppte den Jaguar vor Joes Speiselokal. Es war fast zehn Uhr früh, und Joe verkaufte bereits die ersten
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