0169 - Der Teufel ohne Maske
rechneten damit, daß wir wieder sieben oder acht Leute festnehmen würden.
Punkt 10.45 Uhr klopften wir an Mr. Highs Tür. Da keine Antwort kam, klopften wir zweimal. Schließlich öffnete ich leise die Tür und peilte hinein. Die Schreibtischlampe des Chefs brannte, aber Mr. High war nicht anwesend. Wir blieben im Flur und warteten.
Der Chef kam erst acht Minuten später. Da wir uns unsere Einsatzzeit selbst gesetzt hatten und die Spieler sicher nicht vor Mitternacht Schluß machen würden, war es bedeutungslos, ob wir um elf oder ein paar Minuten danach kamen.
»Entschuldigung«, sagte der Chef, als er kam. »Ich wurde im Labor aufgehalten. Sie haben gerade die Kugel identifiziert, mit der Nesly erschossen wurde.«
Nesly war ein wichtiger Mann in einer unserer politischen Parteien. Man hatte ihn vor ein paar Tagen erschossen in seinem Arbeitszimmer aufgefunden.
»Aus welcher Waffe kam die Kugel?« fragte ich, während der Chef in sein Zimmer ging, den Hut nahm und das Licht ausknipste.
»Aus der Waffe, die wir im Wäschefach seiner Frau fanden«, sagte Mr. High gelassen. »Ich hatte gleich so etwas angenommen. Wir wußten seit langem, daß sie ihren Mann betrog. Aber wir konnten doch nicht annehmen, daß sie eines Tages so weit gehen würde, ihn zu erschießen.« Wir gingen. Wie viele Fälle waren eigentlich schon durch unser Labor und seine Wissenschaftler geklärt worden?
Da Mr. High mitfahren wollte, ließen wir den Jaguar im Hof stehen und nahmen uns einen schweren Dienstwagen. Es war 11.04 Uhr, als wir das Haus erreichten.
Wir ließen einen Kollegen als Wache zurück und fuhren mit den Aufzügen hinauf. Als wir in der Höhe des 14. Stockwerks waren, gab es auf einmal einen ungeheueren Krach. Der Lift wackelte, die Wände zitterten, und eine Druckwelle flutete durch das Haus.
Wir sahen uns erschrocken an. Was war geschehen?
Die Antwort sahen wir, als wir die Etage erreicht hatten, in der sich die Spielhölle- befand. Das Apartment war mit seiner schönen Einrichtung völlig zerstört. Sogar die Tür zum Flur war von der Explosion halb zerfetzt. Wir traten sie völlig ein und gingen hinein.
Kein Mensch war da. Dafür roch es nach Pulver und Explosion. Die Türen zwischen den einzelnen Räumen waren aus den Angeln geschleudert. Sämtliche Fenster zersplittert. Da Decke und Fußboden aus Stahlbeton bestanden, hatten sie die Sache noch verhältnismäßig gut überstanden. Aber die Möbel und die Ziegelwände zwischen den einzelnen Zimmern waren arg lädiert.
»Mensch«, sagte Phil leise in die tiefe Stille hinein, die jetzt nach der Explosion herrschte. »Stell dir vor, wir wären fünf Minuten früher gekommen!«
Ich sagte nichts. Mich beschäftigte ein anderer Gedanke. Ein Gedanke, der mich abwechselnd heiß und kalt werden ließ.
Die entscheidende Frage war doch die: Wer hatte gewußt, daß wir in dieser Nacht kommen würden? Nur G-men. Also mußte die Frage lauten: Welcher G-man hatte seine Kameraden verraten? Mir wankte der Boden unter den Füßen, als ich nur daran dachte, Treue, Tapferkeit. Das sind die Losungen, auf die jeder G-man schwört. Und noch eines: Unbestechlichkeit.
Welcher Lump hatte uns verraten?
***
Den Rest der Nacht verbrachte ich zwar in meinem Bett, aber ich konnte erst sehr spät einschlafen. Immer wieder beschäftigten sich meine Gedanken mit diesem einen, unfaßbaren Problem: daß ein Kamerad uns verraten haben sollte.
Aber eine andere Erklärung gab es kaum. Die Bombe explodierte wenige Minuten nach elf. Für elf Uhr hatten wir unseren Einsatz angesetzt. Wären wir pünktlich gewesen, hätte sie uns alle in Stücke gerissen.
Selbstverständlich würden sich unsere Sprengstoffexperten mit der Explosion beschäftigen. Die ganze Bude würde millimeterweise nach Resten der Verpackung abgesucht werden, denn aus den Resten konnte man Rückschlüsse auf das Fabrikat ziehen. Aber wenn der Verräter wirklich unter uns saß, konnte er dann nicht dafür sorgen, daß die Ermittlungen des Sprengstoffexperten im Sande verliefen? Oder wenn er das nicht vermochte, konnte er dann nicht wenigstens den Urhebern der Explosion rechtzeitig eine Warnung zukommen lassen?
Was auch immer wir jetzt im Falle Cade Norman unternehmen würden, alles würde von dem Gedanken überschattet sein: Werden wir auch diesmal wieder verraten werden?
Es war schon dämmrig draußen, als ich endlich in einen kurzen, unruhigen Schlummer fiel. Der Wecker zerriß den Schlaf mit einem grellen Rattern. Ich
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